250. An Schiller

Weimar, am 30. November 1796

Mit Humboldts habe ich gestern einen sehr vergnügten Tag zugebracht, wobei ich bis gegen Mittag die Hoffnung unterhielt Sie hier zu sehen. Wenn übrigens diese Stunden auch für Sie nützlich und angenehm verflossen sind, so freut es mich recht sehr; möge es immer so fortgehen, bis Sie Ihren Zweck erreichen.

Starke verspricht mir noch auf heute Abdrücke, und ich hoffe sie mit gegenwärtigem zu senden.

Burgsdorf hat mir in seinem Betragen und in dem wenigen was er sprach recht wohl gefallen.

Ein neues Werk der Frau von Stael de l’influence des Passions etc. ist sehr interessant; es ist in dem beständigen Anschauen einer sehr weiten und großen Welt geschrieben in der sie gelebt hat, und voll geistreichen, zarten und kühnen Bemerkungen.

G.

H 250 | S 249 | B 250

249. An Goethe

Jena, den 28. November 1796

Von Ihrer freundlichen Einladung werde ich schwerlich Gebrauch machen können, da ich die miserable Jahrszeit und Witterung in allen Nerven spüre und mich nur so eben hinhalte. Dafür hoffe ich, wenn auch nur für einen Tag, Sie bald zu sehen, von Ihren neuesten Entdeckungen und Bemerkungen zu hören, und Sie zugleich von meinem eigenen Zustand zu unterhalten.

Mit dem Wallenstein geht es zwar jetzt noch sehr langsam, weil ich noch immer das meiste mit dem rohen Stoff zu thun habe, der noch nicht ganz beisammen ist, aber ich fühle mich ihm noch immer gewachsen, und in die Form habe ich manchen hellen bestimmten Blick gethan. Was ich will und soll, auch was ich habe, ist mir jetzt ziemlich klar; es kommt nun noch bloß darauf an, mit dem, was ich in mir und vor mir habe, das auszurichten, was ich will und was ich soll. In Rücksicht auf den Geist, in welchem ich arbeite, werden Sie wahrscheinlich mit mir zufrieden seyn. Es will mir ganz gut gelingen, meinen Stoff außer mir zu halten und nur den Gegenstand zu geben. Beinahe möchte ich sagen, das Sujet interessirt mich gar nicht, und ich habe nie eine solche Kälte für meinen Gegenstand mit einer solchen Wärme für die Arbeit in mir vereinigt. Den Hauptcharakter, so wie die meisten Nebencharaktere tractire ich wirklich bis jetzt mit der reinen Liebe des Künstlers; bloß für den nächsten nach dem Hauptcharakter, den jungen Piccolomini, bin ich durch meine eigene Zuneigung interessirt, wobei das Ganze übrigens eher gewinnen als verlieren soll.

Was die dramatische Handlung, als die Hauptsache anbetrifft, so will mir der wahrhaft undankbare und unpoetische Stoff feilich noch nicht ganz pariren; es sind noch Lücken im Gange, und manches will sich gar nicht in die engen Grenzen einer Tragödien-Ökonomie herein begeben. Auch ist das Proton Pseudos in der Katastrophe, wodurch sie für eine tragische Entwicklung so ungeschickt ist, noch nicht ganz überwunden. Das eigentliche Schicksal thut noch zu wenig, und der eigene Fehler des Helden noch zu viel zu seinem Unglück. Mich tröstet hier aber einigermaßen das Beispiel des Macbeth, wo das Schicksal ebenfalls weit weniger Schuld hat als der Mensch, daß er zu Grunde geht.

Doch von diesen und andern Haken mündlich.

Humboldt’s Erinnerungen gegen den Körner’schen Brief scheinen mir nicht unbedeutend, obgleich er, was den Charakter des Meister betrifft, auf der entgegengesetzten Seite zu weit zu gehen scheint. Körner hat diesen Charakter zu sehr als den eigentlichen Held des Romans betrachtet; der Titel und das alte Herkommen, in jedem Roman etc. einen Helden haben zu müssen, hat ihn verführt. Wilhelm Meister ist zwar die nothwendigste, aber nicht die wichtigste Person; eben das gehört zu den Eigenthümlichkeiten Ihres Romans, daß er keine solche wichtigste Person hat und braucht. An ihm und um ihn geschieht alles, aber nicht eigentlich seinetwegen; eben weil die Dinge um ihn her die Energien, Er habe die Bildsamkeit darstellt und ausdrückt, so muß er ein ganz ander Verhältniß zu den Mitcharakteren haben, als der Held in andern Romanen hat.

Hingegen finde ich Humboldt gegen diesen Charakter auch viel zu ungerecht, und ich begreife nicht recht, wie er das Geschäft, das der Dichter sich in dem Romane aufgab, wirklich für geendet halten kann, wenn der Meister das bestimmungslose und gehaltlose Geschöpf wäre wofür er ihn erklärt. Wenn nicht wirklich die Menschheit, nach ihrem ganzen Gehalt, in dem Meister hervorgerufen und in’s Spiel gesetzt ist, so ist der Roman nicht fertig, und wenn Meister dazu überhaupt nicht fähig ist, so hätten Sie diesen Charakter nicht wählen dürfen. Freilich ist es für den Roman ein zarter und heikligter Umstand, daß er, in der Person des Meister, weder mit einer entschiednen Individualität noch mit einer durchgeführten Idealität schließt, sondern mit einem Mitteldinge zwischen beiden. Der Charakter ist individual, aber nur den Schranken und nicht dem Gehalt nach, und er ist ideal, aber nur dem Vermögen nach. Er versagt uns sonach die nächste Befriedigung die wir fordern (die Bestimmtheit), und verspricht uns eine höhere und höchste, die wir ihm aber auf eine ferne Zukunft creditiren müssen.

Komisch genug ist’s, wie bei einem solchen Producte so viel Streit in den Urtheilen noch möglich ist.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Humboldts von uns.

Sch.

H 248 | S 248 | B 249

248. An Schiller

Weimar, den 26. November 1796

Auf einem Kartenblatt finden Sie hier beiliegend einige Bemerkungen zu den Xenien; vielleicht können Sie noch Gebrauch davon machen.

Humboldts werden erst Dienstag wieder von Erfurt hierher kommen und zu Mittag mit mir essen; ich wünschte Sie könnten sich entschließen an gedachtem Tage mir Ihrer lieben Frau herüber zu kommen. Sie blieben die Nacht hier und führen Mittwoch wieder mit Humboldts zurück. Die gegenwärtige Witterung fordert fast ein so heroisches Unternehmen.

Da ich nicht sehe, daß ich sobald einige Zeit bei Ihnen zubringen kann, so komme ich vielleicht nur auf einen Tag; denn es sind gar viele Dinge bei denen ich den Mangel Ihrer Theilnahme spüre.

Ich lege einen Brief von Humboldt bei, der Ihnen Freude machen wird. Es ist doch sehr tröstlich, solche theilnehmende Freunde und Nachbarn zu haben; aus meinem eignen Kreise ist mir noch nichts dergleichen zugekommen. Leben Sie recht wohl und nehmen meine Einladung zu Herzen.

G.

H 242 [Druckfehler; recte: 248] | S 247 | B 248

247. An Goethe

Jena, den 22. November 1796

Wahrscheinlich werden Sie Humboldten morgen sehen, der auf einige Tage nach Erfurt verreist. Er wünscht sehr, den Abend mit Ihnen zubringen zu können. Er bringt auch das zehnte Horenstück mit, wobei ich Sie auf eine Erzählung Agnes von Lilien aufmerksam mache.

Sie haben vielleicht das neueste Stück vom Archiv der Zeit schon gesehen, wo ein Ausfall auf Sie vom alten Klopfstock sich befindet. Es hat ihn verdrossen, das Sie in Ihren Epigrammen vom vorigen Jahr sich beklagen, deutsch schreiben zu müssen, und er macht daher seinem Unwillen in einem Epigramme Luft, das freilich sehr kläglich ist. Dieses steht in einer Fortsetzung seiner grammatischen Gespräche, und das Urtheil!! spricht:

„Goethe! du dauerst dich, daß du mich schreibest? Wenn du mich kenntest,
Wäre dieß dir nicht Gram. Goethe, du dauerst mich auch!“

Humboldt wird Ihnen auch von einer Recension des jungen Schlegels über Woldemar und von einem fulminanten grünen Brief Jacobi’s über diese Recension erzählen, was Sie sehr belustigen wird. Es steht auch schon etwas über unsere Xenien in diesem Briefe.

Wann werden wir Sie aber wieder einmal hier sehen? Ich sehne mich herzlich darnach; es ist mir als wenn mir etwas von dem Element fehlte, worin ich leben soll.

Cotta beklagt sich, daß ihm Escher auf die an ihn abgeschickte Geldanweisung und auf drei Briefe noch nicht geantwortet. Er mußte ihm das Geld anweisen, weil damals keine fahrende Post in jene Gegend ging.

Sobald der neue Almanach fertig ist, sende ich ein Exemplar davon durch Eschern an Meyer ab. Grüßen Sie diesen recht herzlich von uns.

Ich habe Besuch und muß schließen. Leben Sie recht wohl.

Sch.

H 247 | S 246 | B 247

246. An Schiller

Weimar, den 19. November 1796

Der Körner’sche Brief hat mir sehr viel Freude gemacht, um so mehr als er mich in einer entschieden ästhetischen Einsamkeit antraf. Die Klarheit und Freiheit, womit er seinen Gegenstand übersieht, ist wirklich bewundernswerth; er schwebt über dem Ganzen, übersieht die Theile mit Eigenheit und Freiheit, nimmt bald da bald dort einen Beleg zu seinem Urtheil heraus, decomponirt das Werk, um es nach seiner Art wieder zusammen zu stellen, und bringt lieber das was die Einheit stört, die er sucht oder findet, für dießmal bei Seite, als daß er, wie gewöhnlich die Leser thun, sich erst dabei aufhalten, oder gar recht darauf lehnen sollte. Die unterstrichene Stelle hat mir besonders wohlgethan, da ich besonders auf diesen Punkt eine ununterbrochene Aufmerksamkeit gerichtet habe und nach meinem Gefühl dieses der Hauptfaden seyn mußte, der im Stillen alles zusammenhält und ohne den kein Roman etwas werth seyn kann. Bei diesem Aufsatz ist es aber auch überhaupt sehr auffallend, daß sich der Leser productiv verhalten muß, wenn er an irgend einer Production Theil nehmen will. Von den passiven Theilnahmen habe ich leider schon die betrübtesten Beispiele wieder erlebt, und es ist nur immer eine Wiederholung des Refrains: ich kann’s zu Kopf nicht bringen! Freilich faßt der Kopf kein Kunstproduct als nur in Gesellschaft mit dem Herzen.

So hat mir neulich jemand geschrieben, daß er die Stelle im zweiten Bande, Seite 138: „Nein! rief er aus, du bildest dir ein, du abgestorbener Weltmann, daß du ein Freund seyn könnest. Alles was du mir anbieten magst, ist der Empfindung nicht werth die mich an diese Unglücklichen bindet!“ zum Mittelpunkt des Ganzen gemacht und seinen Umkreis daraus gezogen habe, dazu passe aber der letzte Theil nicht und er wisse nichts damit zu machen.

So versicherte mir ein andrer, meine Idylle sei ein fürtrefflich Gedicht, nur sey ihm noch nicht klar, ob man nicht besser thäte es in zwei oder drei Gedichte zu separiren.

Möchte bei solchen Äußerungen nicht die Hippokrene zu Eis erstarren und Pegasus sich mausern! Doch das war vor fünf und zwanzig Jahren, als ich anfing, eben so, und wird so seyn wenn ich lange geendigt habe. Indessen ist nicht zu leugnen daß es doch aussieht, als wenn gewisse Einsichten und Grundsätze, ohne die man sich eigentlich keinem Kunstwerk nähern sollte, nach und nach allgemeiner werden müßten.

Meyer grüßt herzlich von Florenz; er hat endlich auch die Idylle erhalten; es wäre doch gut wenn wir ihm durch Cotta und Escher einen ganzen Almanach zuspediren könnten.

Ich hoffe daß die Kopenhagner und alle gebildete Anwohner der Ostsee aus unsern Xenien en neues Argument für die wirkliche und unwiderlegliche Existenz des Teufels nehmen werden, wodurch wir ihnen denn doch einen sehr wesentlich Dienst geleistet haben. Freilich ist es von der andern Seite sehr schmerzlich daß ihnen die unschätzbare Freiheit, leer und abgeschmackt zu seyn, auf eine so unfreundliche Art verkümmert wird.

Körners Aufsatz qualificirt sich, wie mich dünkt, recht gut zu den Horen; bei der leichten und doch so guten Art wie das Ganze behandelt ist, werden sich die Contorsionen, die sich von andern Beurtheilern erwarten lassen, desto wunderlicher ausnehmen.

Übrigens wird es höchst nothwendig daß ich Sie bald sehe; es ist doch gar manches zu besprechen. Ich verlange sehr Ihre Fortschritte am Wallenstein zu erfahren.

Von dem Dienstgesuch habe ich etwas gehört, aber keine Gesinnung oder Meinung darüber, doch zweifle ich auch am Gelingen.

Leben Sie recht wohl und grüßen die Freunde.

G.

H 246 | S 245 | B 246

245. An Goethe

Jena, den 18. November 1796

In Kopenhagen ist man auf die Xenien ganz grimmig, wie mir die Schimmelmann heute schreibt, die zwar eine liberalere Sentimentalität hat, und – wenn sie nur könnte, gerne gerecht gegen uns wäre. Daran dürfen wir überhaupt gar nicht denken, daß man unser Product seiner Natur nach würdigt; die es am besten mit uns meinen, bringen es nur zur Toleranz.

Mir wird bei allen Urtheilen dieser Art, die ich noch gehört, die miserable Rolle des Verführten zu Theil; Sie haben doch noch den Trost des Verführers.

Es ist zwar sehr gut, und für mich besonders, jetzt etwas Bedeutendes und Ernsthaftes in’s Publicum zu bringen; aber wenn ich bedenke, daß das Größeste und Höchste, selbst für sentimentalische Leser von Ihnen geleistet, noch ganz neuerdings im Meister und selbst im Almanach von Ihnen geleistet worden ist, ohne daß das Publicum seiner Empfindlichkeit über kleine Angriffe Herr werden könnte, so hoffe ich in der That kaum, es jemals, durch etwas in meiner Art Gutes und Vollendetes, zu einem bessern Willen zu bringen. Ihnen wird man Ihre Wahrheit, Ihre tiefe Natur nie verzeihen, und mir, wenn ich hier von mir reden darf, wird der starke Gegensatz meiner Natur gegen die Zeit und gegen die Masse das Publicum nie zum Freund machen können. Es ist nur gut, daß dieß auch so gar nothwenig nicht ist, um mich in Thätigkeit zu setzen und zu erhalten. Ihnen kann es vollends gleichgültig seyn, und jetzt besonders, da trotz alles Geschwätzes der Geschmack der Bessern ganz offenbar eine solche Richtung nimmt, die zu der vollkommensten Anerkennung Ihres Verdienstes führen muß.

Hier lege ich Ihnen einen weitläuftigen Brief von Körner über Meister bei, der sehr viel Schönes und Gutes enthält. Sie senden ihn mir wohl gleich durch das Botenmädchen wieder, da ich ihn gerne copiren lassen und für das zwölfte Stück der Horen brauchen möchte, wenn Sie nichts dagegen haben.

Von dem Almanach lasse ich nur fünfhundert Exemplare, aber auf lauter gutem Papier, auflegen. Größer durfte ich die Auflage nicht wohl machen, da die Gründe für dieselbe nur von dem Absatz in Leipzig hergenommen worden, der Absatz im übrigen Deutschland aber noch problematisch ist, weil wir nicht wissen, ob von den versendeten Exemplarien nicht viele retourniren. Werden indessen von der neuen Auflage nur zweihundert Exemplare verkauft, so ist sie bezahlt, welches ich jetzt, da alles durch meine Hände gegangen, bei Heller und Pfennig berechnen kann.

An den Almanach für das nächste Jahr wage ich jetzt noch gar nicht zu denken, und alle meine Hoffnung ist nach Ihnen gewendet. Denn das sehe ich nun ein, daß der Wallenstein mir den ganzen Winter und wohl fast den ganzen Sommer kosten kann, weil ich den widerspenstigen Stoff zu behandeln habe, dem ich nur durch ein herorisches Aushaarren etwas abgewinnen kann. Da mir außerdem noch so manche selbst der gemeinsten Mittel fehlen, wodurch man sich das Leben und die Menschen näher bringt, aus seinem engen Dasein heraus und auf eine größere Bühne tritt, so muß ich wie ein Thier, dem gewisse Organe fehlen, mit denen die ich habe, mehr thun lernen und die Hände gleichsam mit den Füßen ersetzen. In der That verliere ich darüber eine unsägliche Kraft und Zeit, daß ich die Schranken meiner zufälligen Lage überwinde, und mir eigene Werkzeuge zubereite, um einen so fremden Gegenstand, als mir die lebendige und besonders die politische Welt ist, zu ergreifen. Recht ungeduldig bin ich, mit meiner tragischen Fabel von Wallenstein nur erst so weit zu kommen, daß ich ihrer Qualification zur Tragödie vollkommen gewiß bin; denn wenn ich es anders fände, so würde ich zwar die Arbeit nicht ganz aufgeben, weil ich immer schon so viel daran gebildet habe, um ein würdiges dramatisches Tableau daraus zu machen, aber ich würde doch die Maltheser noch vorher ausarbeiten, die bei einer viel einfacheren Organisation entschieden zur Tragödie qualificirt sind.

Leben Sie auf’s beste wohl; wir sehnen uns alle recht herzlich, Sie zu sehen.

Mein Schwager hat, wie ich höre, wegen Henderichs Stelle an den Herzog von Weimar geschrieben; ich wünschte es herzlich, daß er seinen Wunsch erreichte, zweifle aber sehr daran, ob ich gleich überzeugt bin, daß er in Weimar auf manche Art brauchbar seyn würde.

Anbei erhalten Sie die Kupferplatte von Bolt, nebst Papier zu Abdrücken.

Sch.

H 235 [Druckfehler; recte: 245] | S 244 | B 245

244. An Schiller

Weimar den 15. November 1796

Einige Dinge die ich gestern zurückließ, will ich doch gleich nachbringen. Erstlich gratulire ich zu der zweiten Auflage; es war wohl nicht anders zu thun als daß Sie solche in Jena drucken ließen. Schicken Sie mir das Papier bald, denn man wird hier nicht gleich gefördert. Einige Buchstabenbemerkungen, sonst Druckfehler genannt, schicke ich Ihnen ehestens. Wie stark gedenken Sie diese Auflage zu machen? Wir können noch die dritte erleben.

Voßens Almanach ist über die Maßen schlecht, es thut mir leid für ihn und unser Verhältniß zu ihm, denn man muß seinen Nebenbuhlern doch einigermaßen gleich seyn wenn man sie nicht hassen soll. Die Mattherzigkeit der sämmtlichen Compagnie ist unglaublich und ohne die Paar Übersetzungen wäre beinah das Bändchen völlig leer. Doch läugne ich nicht, daß wir den Creator Spiritus wohl zum Freunde haben müssen, wenn wir das nächste Jahr nicht zurück, sondern vorwärts treten wollen.

Das Angenehmste was Sie mir aber melden können, ist Ihre Beharrlichkeit an Wallenstein und Ihr Glaube an die Möglichkeit einer Vollendung; denn nach dem tollen Wagestück mit den Xenien müssen wir uns bloß großer und würdiger Kunstwerke befleißigen und unsere Proteische Natur, zu Beschämung aller Gegner, in die Gestalten des Edlen und Guten umwandeln.

Die drei ersten Gesänge meines epischen Gedichts sind fleißig durchgearbeitet, und abermals abgeschrieben. Ich freue mich darauf sie Humboldts gelegentlich vorzulesen.

Die englische Übersetzung von Cellini, die ich durch Eschenburg erhalten habe, gehört Boie, wie sein eingeschriebner Name zeigt. Wenn Sie ihm gelegentlich schreiben, so fragen Sie ihn doch, ob er mir sie überlassen will; ich will ihm gerne dafür zahlen, was er verlangt, und ihm noch außerdem, wenn meine Arbeit künftig besonders gedruckt erscheint, ein Exemplar davon versprechen. Am englischen ist mir in mehr als Einem Betracht gelegen; besonders hat es ein sehr wohlgestochenes Portrait, das ich ausschneiden müßte um es dereinst copiren zu lassen. Diese ganze Arbeit zu vollenden und auch nur ohne Noten zu ajustiren, brauche ich noch das Restchen vom Jahre.

Die Naturbetrachtungen freuen mich sehr. Es scheint eigen und doch ist es natürlich, daß zuletzt eine Art von subjectivem Ganzen herauskommen muß. Es wird wenn Sie wollen eigentlich die Welt des Auges, die durch Gestalt und Farbe erschöpft wird. Denn wenn ich recht Acht gebe, so brauche ich die Hülfsmittel anderer Sinne nur sparsam, und alles Raisonnement verwandelt sich in eine Art von Darstellung.

So viel vor heute mit einem herzlichen Lebewohl.

G.

H 179 | S 179 | B 180

243. An Schiller

Weimar, den 14. November 1796

Die Actenstücke, die ich heute von Ihnen erhalte, kommen sogleich zurück. Bei dem einen ist es wirklich merkwürdig daß unsere Gegner bis jetzt das Element nicht finden können, worin wir uns bewegen; bei dem andern zeigt sich eine gewisse höhere Vorstellungsart, die denn auch ganz gut ist; sähe nur nicht die Neigung zu dem erquicklichen Wasser auch hier so klar mit durch.

Die oberdeutsche Literaturzeitung lege ich bei und erbitte mir sie bald zurück. Eine solche leichte, oberflächliche, aber wohlmeinende Behandlung des Ganzen ist nicht unerwünscht. Der Recensent ist wenigstens von vorn bis hinten à son aise, ein Fall in dem nicht jeder seyn möchte. Die Druckfehler in den angeführten Gedichten sind lustig genug.

Das verlangte Buch folgt auch. Ein solches Flick- und Lappenwerk ist nicht leicht erschienen. Wenn Künstler und Kunstwerke sich nicht immer, wie die Bleimännchen, wieder von selbst auf die Beine stellten, so müßten Sie durch solche Freunde für ewig mit dem Kopf in den Quark gepflanzt werden. Bei der Ohnmacht des Verfassers ist es auffallend wie er sich durch gewisse Stiche selbst seinem eignen Helden formidabel machen will. Sein böser Wille gegen Sie leuchtet aus mehreren Stellen hervor. Ich habe einen boshaften Einfall, wie man ihn durch eine sophistische Wendung in Tort setzen und ihn auf seinem eigenen Grund und Boden schlagen könnte. Wenn der Spaß Ihren Beifall hat, so führe ich ihn aus; er ist, wie mich dünkt, sans replique, wie jener vom literarischen Sansculottismus. Doch davon mündlich.

Meyer grüßt schönstens; er hält sich sehr wacker in Florenz, sowohl arbeitend als betrachtend; nur wird ihm freilich die Einsamkeit mitunter sehr lästig. Leben Sie recht wohl, und grüßen alles was Ihnen nah ist.

G.

H 243 | S 242 | B 243

242. An Goethe

Jena, den 13. November 1796

Es ist mir ein rechter Trost, Sie wieder in unserer Nähe zu wissen; noch nie ist mir eine Trennung von Ihnen so lang vorgekommen wie die jetzige, obgleich ich weniger als sonst mich allein befunden habe. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre neuen Entdeckungen für die Morphologie mittheilen; die poetische Stunde wird schon schlagen.

Hier ist in Ihrer Abwesenheit nichts neues vorgefallen; auch aus der literarischen Welt habe ich nichts in Erfahrung gebracht. Hier des Coadjutors Brief, die Xenien betreffend. Sie sehen daraus, daß man viel sündigen kann, wenn man sich nur erst in einen recht moralischen Ruf gesetzt hat.

An der neuen Auflage des Almanachs wird eben jetzt hier in Jena gedruckt; denn eine reifere Überlegung hat mich doch veranlaßt, dieses Geschäft lieber hier gleich vornehmen zu lassen, als in Tübingen; Göpferdt hat sich verbindlich gemacht, mit Anfang Decembers damit fertig zu seyn. Ich werde Ihnen nächste Woche Papier zu der Decke senden, davon wir jetzt, außer den vorräthigen Abdrücken, noch vierhundert fünfundzwanzig neue brauchen. Auch habe ich die Bolt’sche Kupferplatte der Terpsichore hier, wovon doch wohl auch in Weimar die nöthigen Abdrücke gemacht werden können.

Ich habe in dieser Zeit die Quellen zu meinem Wallenstein fleißig studirt, und in der Ökonomie des Stücks einige nicht unbedeutende Fortschritte gewonnen. Je mehr ich meine Ideen über die Form des Stücks rectificire, desto ungeheurer erscheint mir die Masse, die zu beherrschen ist, und wahrlich, ohne einen gewissen kühnen Glauben an mich selbst würde ich schwerlich fortfahren können.

Haben sie Böttigers Schrift über Iffland, so bitte ich Sie, sie uns zu schicken. Man erzählt so viel närrisches davon; besonders soll ein Brief von der Frau Charlotte darin zu finden seyn.

Noch lege ich Ihnen ein Blättchen Hexameter (!) bei, welche in Breslau von einem Champion des Herrn Manso, gegen Sie oder mich, gemacht worden sind. Es ist doch sonderbar, daß unsere bisherigen Angreifer im Sylbenmaße schon verunglücken.

Alexander von Humboldt soll über die Xenien recht entzückt seyn, sagt mir sein Bruder. Das ist doch wieder eine neue Natur, die sich diesen Stoff assimiliren kann.

Leben Sie recht wohl. Es grüßt Sie alles auf’s beste; Humboldts, die für den Meister herzlich danken, sehnen sich, Sie zu sehen. Alles ist wohl bei mir.

Sch.

H 242 | S 241 | B 242

241. An Schiller

Weimar, den 12. November 1796

Ihre beiden Briefe, werthester Freund, habe ich erst spät in Ilmenau erhalten, wohin, wie nach Cimmerien, die Boten langsam gehen, die Sonne selten in dieser Jahrszeit dringt, der Almanach aber doch früh genug den Weg gefunden hat. Ich stehe vorerst dabei stille, daß wir mit beiden Werklein im Ganzen den gehörigen Effect gethan haben; einzelne Äußerungen können dem Autor selten wohlthun. Man steht denn doch am Ziel, es mag nahe oder fern gesteckt seyn, wenn einen der Leser gewahr wird. Nun kommen sie, gehen, rennen und trippeln auch wohl herbei, andere bleiben unterweges stehen, andere kehren gar um, andere winken und verlangen man solle wieder zu ihnen zurückkehren, in’s platte Land, aus dem man sich mit so vieler Mühe herausgearbeitet. So muß man die allgemeine Aufmerksamkeit für das Resultat nehmen und sich ganz im Stilen mit denjenigen freuen, die uns Neigung und Einsicht endlich am reinsten nähert; so habe ich Ihnen das nähere Verhältniß zu Körnern und Humboldt zu verdanken, welches mir in meiner Lage höchst erquicklich ist.

Durch die unmittelbare Berührung mit den Gebürgen und durch das Voigt’sche Mineraliencabinet bin ich diese Zeit her wieder in das Steinreich geführt worden. Es ist mir sehr lieb, daß ich so zufälliger Weise diese Betrachtungen erneuert habe, ohne welche denn doch die berühmte Morphologie nicht vollständig werden würde. Ich habe diesmal diesen Naturen einige gute Ansichten abgewonnen, die ich gelegentlich mittheilen werden.

Sonst habe ich aber auch nicht den Saum des Kleides einer Muse erblickt, ja selbst zur Prosa habe ich mich untüchtig gefunden, und weder Production noch Reproduction ließ sich im geringsten spüren. Das Weitere müssen wir nun geduldig erwarten. Wann ich Sie sehen kann, weiß ich noch nicht; in der ersten Zeit darf ich von hier nicht weg; vielleicht komme ich nur einmal auf einen Tag, um Humboldts zu begrüßen und manches zu besprechen. Leben sie recht wohl und grüßen alles was Sie umgibt. Das Exemplar für Humboldt liegt hier bei.

G.

H 241 | S 240 | B 241

240. An Goethe

Jena, den 2. November 1796

Nur einen kleinen Gruß für heute. Humboldt ist gestern angekommen; er empfiehlt sich Ihnen auf’s beste und freut sich gar sehr auf Sie. Er ist wohl und heiter, seine Frau aber, die schwanger ist, befindet sich nicht zum besten. Wenig hätte gefehlt, so wäre er mit Reichardt hier angekommen; er hat ihm nur durch List entgehen können. Reichardt wird in vierzehn Tagen hier seyn; wie er sagt, um Friedrich Schlegeln von hier weg nach Gibichenstein zu nehmen. Das heiß ich recht vom Teufel geholt werden.

Er soll sich bei den Xenien sehr sentimentalisch benehmen, und weil ihm Schlegel versichert, Sie hätten keinen Antheil an denen, die auf ihn gehen, so soll er sehr getröstet seyn, und Humboldt meint, sie wären vor seinem Besuch keineswegs sicher. Er glaube bei Ihnen noch immer was zu gelten. Auch hat er Ihre Stücke im Almanach sehr gelobt gegen Humboldt. Sie haben also Ihre Absicht mit ihm vor der Hand noch nicht erreicht, wie es scheint; er ist und bleibt vor der Welt Ihr Freund, wenigstens in seinen Augen, und wird sich auch wahrscheinlich jetzt mehr als je dafür auszugeben suchen.

In Halle soll Wolf und besonders Eberhard mit den Xenien sehr zufrieden seyn, selbst Klein, der Verwandte Nicolai’s. Mehrere Particularitäten mündlich, weil ich heute einen starken Posttag habe.

Dreißig Stücke des Almanachs hat man mir von Ihrem Hause heute richtig gesendet.

Leben Sie wohl; wir alle grüßen Sie.

Sch.

H 240 | S 239 | B 240

239. An Goethe

Jena, den 31. Oktober 1796

Ich begrüße Sie in Ihrem einsamen Thal und wünsche, daß Ihnen die holdeste aller Musen da begegnen möge. Wenigstens können Sie dort das Städtchen Ihres Hermanns finden, und einen Apotheker oder ein grünes Haus mit Stuckaturarbeit gibt es dort wohl auch.

Körner hat mir heute über Ihren Meister geschrieben. Ich lege seinen Brief bei; er wird Sie in Ihrer Einsamkeit nicht übel stimmen.

Von Leipzig habe ich auch wieder einen Brief, worin man meldet, daß die sämmtlichen Exemplarien, welche ich vorräthig hingesandt, vergriffen seyen, und dringend um neue schreibt. Es sind nämlich außer denen für Cotta und seinen District 900–1000 Exemplare in Paketen an bestimmte Buchhandlungen verpackt worden, und außer diesen habe ich nach und nach 435 an den Commissionär geschickt, wenn etwa nachgefordert würden. Diese letzten sind also weg, und so ist es wahrscheinlich genug, daß jene, die in Paketen verschickt worden, nicht retour kommen werden. Selbst die schadhaften sind, bis auf ein einziges Exemplar, verkauft. Ich habe deßwegen alles was ich noch hier habe, zusammengesucht und auch an — geschrieben, mir, wenn sie dazu kommen kann, die bei Ihnen noch vorräthig liegenden auf Druckpapier zu senden. Alles zusammen möchte kaum 73 Exemplare betragen, und also schwerlich zureichen, weil mir der Commissionär schreibt, daß noch sehr viel bestellt sey. Deßwegen habe ich heute an Cotta geschrieben und ihn zu einer neuen Auflage ermuntert, die ich hier, sowohl des Risico als der lästigen Besorgung wegen, nicht gern veranstalten mag. Es ist seine Sache, er mag sich also rathen, und der Zeitgewinn von zwölf bis vierzehn Tagen ist so beträchtlich nicht.

Die Gothaischen Epigramme sind zwar noch ganz liberal ausgefallen, aber ich gestehe doch, daß mir diese Art, unsere Sache zu nehmen, gerade die allerfatalste ist. Es blickt nichts daraus hervor, als eine Schonung der Leerheit und Flachheit, und ich weiß nichts Impertinenteres, als von einer Seite dem Erbärmlichen nachzulaufen, und dann, wenn jemand demselben zu Leibe geht, zu thun, als ob man es bloß geduldet hätte; erst es dem Guten entgegen zu setzen, und dann sich zu stellen, als ob es grausam wäre, es mit demselben vergleichen zu wollen. Der Pentameter:

Unser Wasser erfrischt etc.

ist merkwürdig, und ganz erstaunlich expressiv für diese ganze Classe.

Leben Sie recht wohl und denken Sie unserer mit Liebe. Humboldt ist noch nicht hier. Alles grüßt Sie auf’s beste.

Sch.

H 239 | S 238 | B 239

[238a. An Schiller]

Ilmenau, 31. Oktober 1796

[Fehlt.]

Vgl. S S. 881

238. An Schiller

Weimar, den 29. Oktober 1796

Ich bin genöthigt auf einige Tage nach Ilmenau zu gehen und danke nur noch geschwind für die übersendeten Horen. Es ist lustig, daß wir durch Humboldt den Rumor erfahren, den der Almanach in Berlin macht; er wird nun auch erzählen können wie es in Halle aussieht. Sobald ich wieder komme, besuche ich Sie. Gotha ist auch in großer Bewegung über unsere Verwegenheit. Hierbei ein Blättchen Distichen vom Prinzen August, der die Sache noch artig genug nimmt. Der Hirtische Aufsatz kommt hier zurück. So füge ich auch die Kupferplatte bei. Ein schönes Glück wär’s wenn mir in Ilmenau noch ein Stück des epischen Gedichts gelänge; die große Einsamkeit scheint etwas zu versprechen.

Meyer hat wieder geschrieben; seine Copie ist fertig, er geht nun an fernere Beschreibung der Alterthümer. Leben Sie recht wohl und schreiben mir nur immer hierher; man schickt mir die Briefe nach. Grüßen Sie Humboldts vielmal und Ihre liebe Frau. Mich verlangt recht Sie bald wieder zu sehen.

G.

H 238 | S 237 | B 238

237. An Goethe

Jena, den 28. Oktober 1796

Sie erhalten hier das neunte Horenstück, sechs Exemplare für Sie, eins für den Herzog und eins für Meyern. Inlage an Herdern und Knebeln bitte abgeben zu lassen.

Heute Vormittag ist Fr. v. Humboldt mit ihren Kindern hier angekommen. Er ist noch in Halle bei Wolfen, und wird in drei Tagen hier sein.

Humboldts waren auch in den letzten Tagen, als unser Almanach dahin kam, in Berlin. Er soll gewaltiges Aufsehen da gemacht haben.

Nicolai nennt ihn den Furienalmanach. Zöllner und Biester sollen ganz entzückt darüber seyn. (Sie sehen daß es uns mit Biestern gelungen ist.) Dieser findet die Xenien noch viel zu mäßig geschrieben. Ein anderer meinte, jetzt wäre noch eine Landplage mehr in der Welt, weil man sich jedes Jahr vor dem Almanach zu fürchten habe. Meyer, der Poet, meinte, wir beide hätten einander in den Xenien selbst heruntergerissen, und ich habe das Distichon: Wohlfeile Achtung S. 221 auf Sie gemacht!!

Woltmann war gestern bei mir und wollte wissen, daß Wieland von den Xenien gesagt habe: Er bedaure nur, daß Voß darin gelobt sey, weil so viel andere ehrliche Leute mißhandelt wären. Woltmann glaubt steif und fest, daß mit dem nekrologischen Raben, der hinter Wieland krächze, niemand als Böttiger gemeint sey.

Endlich ist denn der erste gedruckte Angriff auf die Xenien geschehen, und wenn alle dem gleich sind, so haben wir freilich nichts dabei zu thun. Dieser Angriff steht in – dem Reichsanzeiger. Schütz hat ihn mir communicirt; er besteht aus einem Distichon, wo aber der Pentameter – vor dem Hexameter steht. Sie können sich nichts erbärmlichers denken. Die Xenien werden hämisch gescholten.

Die jungen Nepoten hat Schlegel noch nicht heraus. Er fragte uns heute wieder darnach.

Was Sie aber belustigen wird ist ein Artikel in dem neuen Leipziger Intelligenzblatt, welches in Folio herauskommt. Hier hat ein ehrlicher Anonymus sich der Horen gegen Reichardt angenommen. Zwar sind beide nicht genannt, aber unverkennbar bezeichnet. Er rügt es sehr scharf, daß dieser Herausgeber von zwei Journalen das erste in dem andern unverschämt lobe, und gegen ein anderes Journal einen schändlichen Neid blicken lasse. Vor jetzt wolle er es bei diesem Winke bewenden lassen; aber er droht ihm hart zu Leib zu rücken, wenn dieser Wink nichts fruchte.

Für heute sey es mit diesen Novitäten genug. Wir sind hier ganz wohl auf; ich rücke langsam in meiner Arbeit fort.

Leben Sie recht wohl.

Sch.

Den Voßischen Almanach hab’ ich gesehen. Er ist miserable.

H 237 | S 236 | B 237

236. An Schiller

Weimar, den 26. Oktober 1796

Die Schachtel der Zwiebacke kommt hier mit vielem Danke zurück. Ich habe statt dieser Speise ein Stück des philosophischen Journals hineingelegt, die ich doppelt habe und die ich Niethammern wieder zu geben bitte.

Den Hirtischen Aufsatz finde ich nicht; er wird wohl nachkommen.

An das letzte Stück der Horen dieses Jahres wie an die ersten des folgenden habe ich auch schon gedacht; es ist mir aber leider noch kein Rath erschienen. Was ich von alten Sachen habe, hat keine rechte Gestalt und ist eigentlich verlegene Waare. Das Tagebuch meiner Reise von Weimar bis Rom, meine Briefe von dorther, und was sonst allenfalls davon unter meinen Papieren liegt, könnte nur durch mich redigirt werden; und dann hat alles was ich in dieser Epoche aufgeschrieben, mehr den Charakter eines Menschen der einem Druck entgeht, als der in Freiheit lebt, eines Strebenden, der erst nach und nach gewahr wird, daß er den Gegenständen, die er sich zuzueignen denkt, nicht gewachsen ist, und der am Ende seiner Laufbahn erst fühlt, daß er erst jetzt fähig wäre von vorn anzufangen. Zu einer absichtlichen Composition umgearbeitet würden solche Actenstücke wohl einigen Werth erlangen; aber so in ihrer lieben Natur sind sie gar zu naiv.

Mit dem Weimar’schen Publicum bin ich im Ganzen wegen des Almanachs ziemlich zufrieden, doch ist der Gang immer eben derselbe; die Xenien verkaufen die Tabulas votivas und was sonst gutes und ernsthaftes in dem Büchlein stehen mag. Daß man nicht überall mit uns zufrieden seyn sollte, war ja die Absicht, und daß man in Gotha ungehalten ist, ist recht gut; man hat dort mit der größten Gemüthsruhe zugesehen, wenn man mir und meinen Freunden höchst unartig begegnete; und da das literarische Faustrecht noch nicht abgeschafft ist, so bedienen wir uns der reinen Befugniß uns selbst Recht zu verschaffen, und den nekrologischen Schnabel zu verrufen, der unserm armen Moritz, gleich nach dem Tode, die Augen aushackte. Ich erwarte nur daß mir jemand was merken läßt, da ich mich denn so lustig und artig als möglich expectoriren werde.

Ich wünsche sehr zu hören daß der Wallenstein Sie ergriffe; es würde Ihnen und dem deutschen Theater recht wohl bekommen.

Ich habe diese Tage angefangen die Eingeweide der Thiere näher zu betrachten, und wenn ich hübsch fleißig fortfahre, so hoffe ich diesen Winter diesen Theil der organischen Natur recht gut durchzuarbeiten. Leben Sie recht wohl. Ich wünsche gar sehr Sie bald wieder zu sehen.

G.

H 236 | S 235 | B 236

235. An Goethe

Jena, den 25. Oktober 1796

Nur einen Gruß für heute, zur Begleitung dieser Zwiebacke, welche Ihnen meine Frau schickt. Wir hoffen, Sie sind, so wie wir, durch das heutige freundliche Wetter wieder aufgeheitert worden.

Ich sende hier den Rest des Hirtischen Aufsatzes, wenn Sie etwa einen leeren Augenblick dazu anwenden wollten. Sie senden ihn wohl Sonnabend durch das Botenmädchen wieder.

Nun mahnt es mich doch, für etwas zu sorgen, wodurch der zweite Jahrgang der Horen brillant beschlossen würde; denn von dem Erfolg des nächsten Abonnement scheint das fernere Schicksal der Horen abzuhängen. Noch seh’ ich nichts vor mir, und von dem Himmel ist in diesen zwei Jahren so wenig gefallen, daß ich kein sonderliches Vertrauen zu diesen zufälligen Gaben habe. In der That müssen wir der schrecklichen Schwere des Hirtischen Aufsatzes etwas entgegen setzen.

Wenn Sie doch noch so ein Paket Briefe fänden, wie die aus der Schweiz; alle Redacitonsarbeit nähme ich Ihnen mit Freuden ab.

Von Neuigkeiten weiß ich nichts zu berichten. Schlegel erzählt, daß der Herzog von Gotha über die Xenien sehr ungehalten sey und zwar wegen Schlichtegrolls, den er sehr hoch halte. Auch hör’ ich, daß sich Schütz, der Recension unsers Almanachs wegen, nicht zu rathen und zu helfen wisse. Ich glaub’ wohl.

Leben Sie recht wohl.

Sch.

H 235 | S 234 | B 235

234. An Goethe

Jena, den 23. Oktober 1796

Herzlichen Dank für den Meister, der mich noch oft erquicken und beleben soll. Die vier andern Exemplare habe ich abgeliefert; aber Sie schreiben von sechsen, und ich habe deren nur fünf erhalten. Das Humboldtische fehlt noch.

Humboldt ist von unserm Almanach nicht wenig überrascht worden und hat recht darin geschwelgt; auch die Xenien haben den heitern Eindruck auf ihn gemacht, den wir wünschen. Es ist mir wieder eine angenehme Entdeckung, daß der Eindruck des Ganzen doch jedem liberalen Gemüth gefällig und ergötzlich ist. In Berlin, schreibt er, sey zwar großes Reißen darnach, aber doch habe er nichts, weder interessantes noch kurzweiliges, darüber erfahren. Die Meisten kämen entweder mit moralischen Gemeinplätzen angestochen, oder sie belachen alles ohne Unterschied wie eine literarische Hatze. Unter den vordern Stücken, die er noch nicht kannte, hat die Eisbahn von Ihnen und die Musen in der Mark ihn vorzüglich erfreut; von mir die Geschlechter, der Besuch, und vor den Tabulis votivis hat er, wie auch Genz, einen großen Respect; aber eine Auseinandersetzung unsers beiderseitigen Eigenthums an diesen gemeinschaftlichen Productionen findet er sehr schwer. Von den Xenien schreibt er, daß sie sämmtlich Ihnen in die Schuhe geschoben würden, worin man in Berlin noch mehr durch Hufeland bestärkt worden sey, der behauptet habe, alle von Ihrer Hand gelesen zu haben.

Sonst habe ich neuerdings nichts von dem Almanach gehört, und denke, wir werden auch nur zu bald inne werden, wie wenig jetzt auf einen allgemeinen Sinn bei dem Publicum zu rechnen ist.

Humboldt hofft in acht Tagen hier seyn zu können. Ich freue mich darauf, wieder eine Weile mit ihm zu leben. Stolbergen, schreibt er, habe er in Eutin nicht gefunden, weil er gerade in Kopenhagen gewesen sey, und von Claudius wisse er durchaus nichts zu sagen, er sey eine völlige Null.

Ihre Schweizer Briefe interessiren jeden der sie liest, und ich bin ordentlich froh, daß ich Ihnen diese habe abjagen können. Es ist auch wahr, sie geben ein ungemein lebendiges Bild der Gegenwart, aus der sie floßen, und ohne ein kunstmäßiges Entstehen stellen sie sich recht natürlich und geschickt in ein Ganzes zusammen.

Der Beschluß Meisters hat meine Schwägerin sehr gerührt, und ich finde auch hier meine Erwartung von dem, was den Haupteffect macht, bestätigt. Immer ist es doch das Pathetische, was die Seele zuerst in Anspruch nimmt; erst späterhin vereinigt sich das Gefühl zum Genuß des ruhigen Schönen. Mignon wird wahrscheinlich bei jedem ersten und auch zweiten Lesen die tiefste Furche zurück lassen; aber ich glaube doch, daß es Ihnen gelungen seyn wird, wornach Sie strebten – diese pathetische Rührung in eine schöne aufzulösen.

Wie lieb ist mir’s, daß Sie bald wieder auf einige Tage kommen wollen. Jetzt nachdem ich die Arbeit mit dem Almanach abgeworfen bedarf ich eines neuen lebendigen Interesses so sehr. Zwar habe ich den Wallenstein vorgenommen, aber ich gehe noch immer darum herum, und warte auf eine mächtige Hand, die nicht ganz hinein wirft. Die Jahrszeit drückt mich wie Sie, und ich meine oft, mit einem heitern Sonnenblick müßte es gehen.

Leben Sie auf’s beste wohl. Ich muß Sie noch bitten mir sowohl von dem Kupferstecher als von dem Buchbinder die Almanachsrechnung besonders aufsetzen zu lassen; ich sende Mittwoch die ganze Rechnung an Cotta, und wünschte deßwegen jeden Beleg besonders zu haben. Das, was für den Hirtischen Aufsatz ist, ist er ja wohl so gut noch besonders aufzusetzen, und beides, so wie auch der Buchbinder, zu quittiren.

Leben Sie recht wohl. Alles grüßt.

Sch.

H 234 | S 233 | B 234

233. An Schiller

Weimar, den 22. Oktober 1796

Die Exemplare des letzten Bandes sind endlich angekommen und ich schicke gleich hier ein Halbdutzend

für Sie,
   Loder,
   Justizrath Hufeland,
   Hofrath Hufeland,
   Griesbach und
   Humboldt.

Auch folgt der Körner’sche Brief, den ich mit vielem Vergnügen mit den Gedichten verglichen habe. Ich wünsche bald zu erfahren, was er über den Roman sagt. Leben Sie recht wohl. Ich arbeite jetzt nur, um diese paar Monate zu überstehen und die ungünstige Zeit der kurzen Tage und des traurigen Wetters nicht ganz unnütz zu verleben.

G.

H 233 | S 232 | B 233

232. An Goethe

Jena, den 18. oder 19. Oktober 1796

Unsre Dichterin hat vor ein paar Tagen an mich geschrieben und mir ihre Geschichte mit ihrem Mann und Liebhaber gebeichtet. Sie gesteht, das Leben mit jenem sei ihr fast unerträglich geworden und sie habe ihn vor einiger Zeit verlassen wollen. Doch habe sie sich zusammengenommen und sich zur Pflicht gemacht, ferner und verträglich mit ihm zu leben. Doch hätte sie notwendig noch vorher von ihrem Liebhaber Abschied nehmen müssen, dies sei die Veranlassung ihrer letzten Reise gewesen, und diesen Vorsatz habe sie wirklich, obgleich nicht ohne großen Kampf, vollführt. Von jetzt an hoffe sie alles zu ertragen und endlich noch mit ihrer Lage zufrieden zu geben.

Soweit ihr Geständnis, das sie mir ablegen zu müssen glaubte, wie sie schreibt, um doch von jemand richtig beurteilt zu werden. Ich habe Ursache zu glauben, daß es nicht so ganz aufrichtig war; unterdessen schrieb ich ihr, weil sich so etwas nicht wohl schriftlich verhandeln ließe, zu mir zu kommen. Jetzt soll ihr Mann mit ihr nach Gotha gereist sein.

Ich weiß nicht, wie ihr zu raten und zu helfen ist, denn sie schlägt, wie es scheint, zu ihren realistischen Zwecken gar zu sentimentalische Mittel ein. Fällt Ihnen etwas ein, so teilen Sie mirs mit, oder soll ich sie nach W[eimar] zu Ihnen schicken?

Gearbeitet habe ich noch nicht viel. Das Wetter hat mir in diesen Tagen sehr hart zugesetzt, und dann war eine große Briefschuld abzutragen.

Alles grüßt Sie.

Leben Sie recht wohl.

Sch.

[nicht bei H, zitiert nach S]

H – | S 231 | B 232