231. An Goethe

Jena, den 19. Oktober 1796

Mit dem heutigen Paket haben Sie mir eine recht unverhoffte Freude gemacht. Ich fiel auch gleich über das achte Buch des Meisters her und empfing auf’s neue die ganze volle Ladung desselben. Es ist zum Erstaunen, wie sich der epische und philosophische Gehalt in demselben drängt. Was innerhalb der Form liegt, macht ein so schönes Ganzes, und nach außen berührt sie das Unendliche, die Kunst und das Leben. In der That kann man von diesem Roman sagen: er ist nirgends beschränkt als durch die rein ästhetische Form, und wo die Form darin aufhört, da hängt er mit dem Unendlichen zusammen. Ich möchte ihn einer schönen Insel vergleichen, die zwischen zwei Meeren liegt.

Ihre Veränderungen finde ich zureichend und vollkommen in dem Geist und Sinne des Ganzen. Vielleicht, wenn das Neue gleich mit dem Alten entstanden wäre, möchten Sie hie und da mit Einem Strich geleistet haben, was jetzt mit mehrern geschieht; aber das kann wohl keinem fühlbar werden, der es zum erstenmal in seiner jetzigen Gestalt lest. Meine Grille mit etwas deutlicherer Pronunciation der Hauptidee abgerechnet, wüßte ich nun in der That nichts mehr, was vermißt werden könnte. Stände indeß nicht Lehrjahre auf dem Titel, so würde ich den didaktischen Theil in diesem achten Buch für fast zu überwiegend halten. Mehrere philosophische Gedanken haben jetzt offenbar an Klarheit und Faßlichkeit gewonnen.

In der unmittelbaren Scene nach Mignons Tod fehlt nun auch nichts mehr, was das Herz in diesem Augenblick fordern kann; nur hätte ich gewünscht, daß der Übergang zu einem neuen Interesse mit einem neuen Capitel möchte bezeichnet worden sein.

Der Markese ist jetzt recht befriedigend eingeführt. Der Graf macht sich vortrefflich, Jarno und Lothario haben bei Gelegenheit der neuen Zusätze auch an Interesse gewonnen.

Nehmen Sie nun zu der glücklichen Beendigung dieser großen Krise meinen Glückwunsch an, und lassen Sie uns nun bei diesem Anlaß horchen, was für ein Publicum wir haben.

Für die überschickten Rechnungen danke ich. Mit dem Geld werde ich’s nach Ihrem Sinn arrangiren; ohnehin haben Sie für Ihren Antheil an dem Almanach ja 24 Louisdors gut, und noch mehr, wenn wir eine zweite Auflage erleben. Auch für den Cellini danke ich bestens. Das Schiff kann nun wieder flott gemacht werden. Vor einem Augenblick ist auch ein historischer Aufsatz von Funk angelangt.

Den Major Rösch kenne ich, und noch spezieller kennt ihn mein Schwager. Außer seinen mathematischen, taktischen und architektonischen Kenntnissen, worin er aber sehr vorzüglich ist, ist er freilich sehr beschränkt und ungebildet. Er hat viel gemeines und pedantisches, und so wacker er als Lehrer ist, so wenig kann ihn sein übriger Anstand und sein Geschmack in einem Kreise, worin man Welt verlangt, empfehlen. Übrigens ist er ein braver und sanfter Mann mit dem gut zu leben ist, und seine Schwachheiten belustigen mehr, als daß sie drücken.

Sch.

H 232 | S 230 | B 231

230. An Schiller

Weimar, den 19. Oktober 1796

Recht vielen Dank für den überschickten Körner’schen Brief. Eine so wahrhaft freundschaftliche und doch so kritisch motivirte Theilnahme ist eine seltene Erscheinung. Ich will gedachte Blätter noch einige Tage behalten, um verschiedne Gedichte, die ich noch nicht einmal gelesen habe, bei dieser Gelegenheit anzusehen. Grüßen Sie den Freund recht vielmals und danken ihm auch von mir; sagen Sie ihm etwas von meinem neuen Gedichte und versichern Sie ihm, daß ich mich freue es dereinst in seinen Händen zu sehen.

Den Spitz von Gibichenstein müssen wir nun eine Weile bellen lassen, bis wir ihn wieder einmal tüchtig treffen. Überhaupt aber sind alle Oppositionsmänner, die sich auf’s negiren legen und gern dem was ist etwas abrupfen möchten, wie jene Bewegungsläugner zu behandeln: man muß nur unabläßig vor ihren Augen gelassen auf und abgehen.

Hinter seinem Anpreisen der ausgelassenen Stellen des Cellini, fürchte ich, steckt was anders. Da er das Original hat, fürchte ich, übersetzt er die fehlenden Stellen und läßt das Ganze nachdrucken, denn er ist zu allem fähig. Ich will daher die zwei letzten Lieferungen, die ohnedem zusammen gehören, erst in’s künftige Jahr geben, mein Manuscript indessen completiren und eine vollständige Ausgabe ankündigen; denn das Gefrage darnach ist sehr stark und die zerstreute Lectüre im Journal macht schon jedermann ungeduldig.

Wenn Sie an Boie schreiben, so fragen Sie ihn doch ob er mir die englische Übersetzung, die ich von ihm durch Eschenburg habe, überlassen will. Ich will gern bezahlen was sie kostet und noch ein Exemplar meiner Übersetzung, wenn sie einmal ganz herauskommt, versprechen.

Auf Humboldts Ankunft freue ich mich recht sehr. Sobald er da ist, besuche ich Sie wohl einmal, wenn es auch nur ein Tag ist.

Vom siebenten und achten Stück haben Sie mir von jedem zwei Exemplare, eins auf blaulichem, eins auf gelbichem Papier geschickt. Ich bitte bald um die übrigen, denn man quält mich gewaltig darum.

Leben Sie recht wohl; grüßen Sie alles und sagen Sie mir bald daß Sie eine neue Arbeit angefangen haben.

G.

Könnten Sie mir nicht ein fünftes Stück der Horen von diesem Jahr, von welcher Papiersorte es auch sey, noch überlassen? Mein Pack am Dienstag mit der fahrenden Post ist doch angekommen?

H 231 | S 229 | B 230

229. An Goethe

Jena, den 18. Oktober 1796

Hier sende ich Ihnen Körners Brief, der bei der Unbedeutendheit und Flachheit des gewöhnlichen Urtheils ein recht tröstlicher Laut ist. Senden Sie ihn mir, sobald Sie ihn gelesen, zurück.

Ich habe mir nicht gemerkt, wie viele Exemplare der Horen von jedem Monat und jeder Sorte ich Ihnen gestern gesendet, und kann darum heute den Rest nicht nachsenden.

Humboldts schrieben neulich, daß sie mit Ende dieser Woche von Berlin abreisen, sich unterwegs zehn Tage aufhalten, und etwa den 1sten November hier eintreffen würden.

Von den Xenien habe weiter nichts erfahren. Schlegel, der wieder angekommen, war zu kurze Zeit in Leipzig, da er auch einen Abstecher nach Dessau gemacht, um viel erfahren zu können. Bei seiner Zurückkunft von Dessau, sagte er, hätten sie schon ehr in Leipzig rumort.

Ich höre, daß man auch unter andern die Herzogin in W. unter der zierlichen Jungfrau versteht.

Das Xenion: „Wieland! Wie reich ist dein Geist etc.“ halten einige für eine Satyre auf Wieland und auf die neue Ausgabe! und so fort.

Leben Sie wohl. Man unterbricht mich.

Sch.

H 230 | S 228 | B 229

228. An Schiller

Weimar, den 17. oder 18. Oktober 1796

Beiliegendes Paket war schon vorgestern Abend beisammen, ich lege noch das Heft Cellini bei, welches indessen fertig geworden. Sie sehen es ja wohl noch einmal durch und lassen es abschreiben.

Aus dem Propheten ist ein Prophetenkind geworden, das ich aber auch nicht zu sehen wünsche, da ich, nach dem erhabenen Beispiel des Judengottes, meinen Zorn bis in die vierte Generation behalte.

Die drei ersten Gesänge des neuen Gedichtes sind nun so ziemlich durchgearbeitet, ich werde nunmehr an den vierten gehen. Alle vier zusammen werden etwa 1400 Hexameter haben, so daß, mit den zwei letzten Gesängen, das Gedicht wohl auf 2000 anwachsen kann.

Auch werden Fische und Vögle anatomirt, und geht alles neben einander seinen alten Gang. Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich bald hören daß Sie leidlich gesund und fleißig sind.

G.

H 229 | S 227 | B 228

227. An Goethe

Jena, den 16./17. Oktober 1796

Hier erfolgen endlich zwei Monatstücke Horen; gestern wurden sie mir von Leipzig geschickt. Der Buchhändler Böhme, an den ich die Almanache geliefert, schreibt mir zugleich den Empfang der zwei ersten Ballen, und daß alle Exemplarien, die ich vorräthig bei ihm niedergelegt (es sind etwa vier und vierzig, ohne die rohen Exemplare) schon vergriffen seyen. Dieß ist wirklich viel, denn es ging zugleich eine ansehnlich Partie Exemplare für mehr als fünfzehn Leipziger Buchhändler mit, die also nicht zugereicht hat. Es muß ein fürchterliches Reißen darum sein, und wir werden wohl auf eine zweite Auflage denken müssen.

Böhme hat nun in einem dritten Ballen zwei hundert fünf und zwanzig broschirte und wieder eine Anzahl roher Exemplare erhalten. Sobald er mir schreibt, daß diese über zwei Drittheile abgesetzt sey, so will ich zur neuen Auflage Anstalten machen lassen. Die Post ist so schlecht mit dem zweiten Ballen umgegangen, daß die Nässe einige Dutzend Exemplare verdorben haben soll. Es ist dieß der Ballen, den Gabler gepackt hat; der meinige ist wohlbehalten angelangt.

Sie müssen doch das neue Stück vom Journal Deutschland lesen. Das Insect hat das Stechen wieder nicht lassen können. Wirklich, wir sollten es noch zu Tode hetzen, sonst ist keine Ruhe vor ihm. Gegen den Cellini hat er seinen bösen Willen ausgeübt, und um Sie zu chicaniren die Stellen angepriesen, auch zum Tehil extrahirt, die Sie ausgelassen haben etc. Von dem Aufsatz der Stael spricht er mit größter Verachtung.

Mit Lavatern habe ich Sie vorgestern unnützerweise fürchten gemacht. Es ist sein Bruder gewesen, der hier war.

Reichardt soll auch in Leipzig seyn; Niethammer und Paulus aber haben ihn nicht gesehen. Schlegel ist noch in Leipzig, wo sich die Herzen vermuthlich gegen einander ergießen werden.

Leben Sie recht wohl.

N. S.

Eben erhalte ich einen recht schönen Brief von Körner über den Almanach. Sie sollen ihn morgen erhalten, wo ich auch noch sechs Horen zu senden habe.

H 228 | S 226 | B 227

226. An Schiller

Weimar, den 15. Oktober 1796

Sie erhalten hierbei auch die Rechnung, mit der Abschrift der einzelnen Quittungen, und so wäre auch das berichtigt. Die 95 Rthlr. 9 Gr. Überschuß wünschte ich für Rechnung Herrn Cotta’s inne zu behalten, indem er uns doch zu unserer Italienischen Expedition Zwischenzahlungen auf das Honorar der Horen versprochen hat. Wegen der hier gebundenen Exemplarien liegt eine Berechnung bei. Können Sie mir beiliegenden, nur halb gedruckten Bogen gegen einen vollkommenen auswechseln, so wird noch eins gebunden und wir sind vollkommen richtig. Ich schicke Ihnen das erste holländische zurück, und eins von meinen Velin, dagegen ich mir zwei geringe genommen habe. Ebenso folgt auch eine Lage die zu viel war.

Auch hat man mir noch Abdrücke der Decke geschickt, die sich, ich weiß nicht wo, versteckt hatten. Ich hoffe Sie sollen nun genug haben, auf alle Fälle läßt sich dieser Mangel am leichtesten ersetzen; ich werde die Platte zu mir nehmen.

Weiter wüßte ich nun nichts, und wünsche diesem Werke gut zu fahren. Im Ganzen finde ich nur einerlei Wirkung; jedermann findet sich vom Phänomen frappirt und jedermann nimmt sich zusammen um mit anscheinender Liberalität und mehr oder weniger erzwungenem Behagen darüber zu sprechen, und geben Sie einmal acht, ob das nicht meist der Fall seyn wird.

Für die sonderbare Nachricht, daß der Prophet in Jena sey, danke ich auf’s beste. Ich werde mich seiner zu enthalten suchen, und bin sehr neugierig auf das was Sie von ihm sagen werden. Blumenbach war auch bei mir; er hatte einen sehr interessanten Mumienkopf bei sich.

Wenn die Conferenz zwischen dem Propheten und Paulus zu Stande kommt, so zieht der Letztere wahrscheinlich den kürzern, und muß sich noch bedanken, daß er beleidigt worden ist. Es kostet dem Propheten nichts sich bis zur niederträchtigsten Schmeichelei erst zu assimiliren, um seine herrschsüchtigen Klauen nachher desto sichrer einschlagen zu können.

Sagen Sie mir doch etwas von der Geschichte der kleinen Schönheit.

Ein Heft Cellini, uhngefähr zwölf Bogen Manuscript, kommt bald; alsdann gibt es noch zwei Abtheilungen die ich gleich hintereinander vornehmen will, da ich mich völlig unfähig fühle etwas anders zu thun. Die zwei armen letzten Gesänge werden noch eine Zeit im Limbo verweilen müssen. Es ist wirklich eine Art der fürchterlichsten Prosa hier in Weimar, wovon man außerdem nicht wohl einen Begriff hätte.

Ich lege auch das letzte Buch meines Romans bei, da mir die letzten Bogen des siebenten Buchs fehlen. Wahrscheinlich hat Unger sie, nach seiner löblichen Gewohnheit, durch Einschlag geschickt, und sie liegen ich weiß nicht wo. Sobald die guten Exemplare kommen, erhalt