Weimar, den 15. Dezember 1798
Bei mir geht die Arbeit noch so nothdürftig fort, indem ich allerlei vornehmen und daraus wählen kann was der Zeit und der Stimmung gemäß ist. Es wird mir ein rechtes Weihnachtsgeschenk seyn wenn Sie mir den Piccolomini schicken.
Hier schicke ich was ich bei Gelegenheit Grübels ausgehen lassen. Es ist darauf angesehen daß es eine gewisse Partei ärgern soll. Die Materie muß in den Propyläen wieder gebracht und unter allen Formen erneuert werden, wozu mir schon ein Paar ganz närrische eingefallen sind.
Auch lege ich Gädike’s Forderung bei, wegen des Drucks der Propyläen. Sie sind ja in dergleichen Berechnungen geübt, um zu überschlagen was auf diese Weise die Kosten eines ganzen Stückes seyn würden.
Was ich außer dem Geschäftskreise thun konnte war die Vorbereitung des dritten Stücks, welches ich möglichst zu befördern suche, um zu Anfang des neuen Jahrs ganz frei zu seyn. Und so werden denn doch die bösen drückenden Tage genutzt. Leben Sie recht wohl und suchen Sie aus dem Schlusse des Jahrs auch den möglichen Vortheil zu ziehen. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.
G.
H 556 | S 553 | B 555
Jena, den 14. Dezember 1798
Ich sage Ihnen heute nur einen freundlichen Gruß, denn der Schnupfen nimmt mir den Kopf so ein, daß ich ganz bethört von der Arbeit aufstehe; möchten die nächsten harten drei Wochen nur für Sie und mich vorüber seyn!
Für den Nürnberger Dichter danke ich; bis jetzt habe ich noch nicht viel in demselben lesen können. Es ist gar nicht übel, wenn Sie ein paar Worte zu seiner Empfehlung sagen; denn hier ist der Fall, wo keiner das Herz hätte auf Risico des eigenen Geschmacks zu loben, weil man auf keine modische Formel fußen kann.
Da Ihr Hieherkommen sich nach den Piccolomini’s richtet, so werde ich Sie wohl zuerst in Weimar sehen, denn ich darf dieses Stück, in so fern es für die Bühne bestimmt ist, nicht unvollendet in die neue Jahrzahl hinüberschleppen; auch hoffe ich in dieser Zeit noch das Nöthige dafür zu thun. Sobald etwas von den neuen Scenen in Ordnung und abgeschrieben ist, sende ich’s Ihnen.
Leben Sie wohl für heute. Die Frau grüßt schönstens.
Sch.
H 555 | S 552 | B 553
Weimar, den 12. Dezember 1798
Es freut mich daß ich Ihnen etwas habe wieder erstatten können von der Art in der ich Ihnen so manches schuldig geworden bin. Ich wünschte nur daß mein guter Rath zu einer günstigen Jahrszeit hätte anlangen können, damit Sie dadurch schneller gefördert wären; denn ich muß sie wirklich bedauern daß die Zeit der Vollendung in diese Tage fällt, die eben unsere Freunde nicht sind.
Glücklicherweise habe ich entdeckt, daß mich etwas ganz Neues, das heißt, worüber ich noch nicht gedacht habe, in diesen Stunden reizen und mich gewissermaßen productiv machen kann.
Ich schicke hier Grübel’s Gedichte, von denen ich schon einmal erzählte. Sie werden Ihnen Spaß machen. Ich habe eine Recension davon an Cotta zur neuen Zeitung geschickt, davon ich Ihnen eine Abschrift senden will. Ich habe die Gelegenheit ergriffen über diese heiteren Darstellungen, die nicht gerade immer den leidigen Schwanz moralischer Nutzanwendung hinter sich schleppen, etwas zu sagen.
Übrigens halte ich mich bald an dieses bald an jenes, um nur die Zeit nicht ganz ungenutzt verstreichen zu lassen, und so mögen denn diese vierzehn Tage noch hingehen.
Ob Ihr erstes Stück Weihnachten fertig wird oder nicht, wird meinen Januar-Aufenthalt entscheiden; im ersten Fall hoffe ich Sie bei mir zu sehen, im zweiten denke ich Sie zu besuchen. Für heute leben Sie wohl2) und grüßen Ihre liebe Frau.
G.
H 545 | S 551 | B 553
Jena, den 11. Dezember 1798
Es ist eine rechte Gottesgabe um einen weisen und sorgfältigen Freund, das habe ich bei dieser Gelegenheit auf’s neue erfahren. Ihre Bemerkungen sind vollkommen richtig, und Ihre Gründe überzeugend. Ich weiß nicht welcher böse Genius über mir gewaltet, daß ich das astrologische Motiv im Wallenstein nie recht ernsthaft anfassen wollte, da doch eigentlich meine Natur die Sachen lieber von der ernsthaften als leichten Seite nimmt. Die Eigenschaften des Stoffes müssen mich Anfangs zurückgeschreckt haben. Ich sehe aber jetzt vollkommen ein, daß ich noch etwas Bedeutendes für diese Materie thun muß, und es wird auch wohl gehen, ob es gleich die Arbeit wieder verlängert.
Leider fällt diese für mich so dringende Epoche des Fertigwerdens in eine sehr ungünstige Zeit. Ich kann jetzt gewöhnlich über die andere Nacht nicht schlafen, und muß viel Kraft anwenden, mich in der nöthigen Klarheit Stimmung zu erhalten. Könnte ich nicht durch meinen Willen etwas mehr als andere in ähnlichen Fällen können, so würde ich jetzt ganz und gar pausiren müssen.
Indessen hoffe ich Ihnen doch die Piccolomini zum Christgeschenk noch schicken zu können.
Möchten nur auch Sie diese nächsten schlimmen Wochen heiter und froh durchleben und dann im Januar wieder munter zu uns und Ihren hiesigen Geschäften zurückkehren.
Ich bin neugierig zu erfahren, was Sie für das vierte Stück der Propyläen ausgedacht.
Leben Sie recht wohl. Ich erhalte einen Abendbesuch von meinem Hausherrn, der mich hindert mehr zu sagen.
Die Frau grüßt herzlich. Meyern viele Grüße.
Sch.
H 553 | S 550 | B 552
Weimar, den 8. Dezember 1798
Wie sehr wünschte ich gerade über die vorliegende Frage mit Ihnen einen Abend zu conversiren, denn sie ist doch um vieles wichtiger als jene Quästion, in welcher Ordnung die Rüstung erscheinen soll. Ich fasse mich nur kurz zusammen, und gehe über alles hinaus worüber wir einig sind.
Ich halte nach vielfältiger Überlegung das astrologische Motiv für besser als das neue.
Der astrologische Aberglaube ruht auf dem dunkeln Gefühl eines ungeheuren Weltganzen. Die Erfahrung spricht daß die nächsten Gestirne einen entschiedenen Einfluß auf Witterung, Vegetation u. s. w. haben; man darf nur stufenweise immer aufwärts steigen und es läßt sich nicht sagen wo diese Wirkung aufhört. Findet doch der Astronom überall Störungen eines Gestirns durchs andere; ist doch der Philosoph geneigt, ja genöthigt eine Wirkung auf das Entfernteste anzunehmen; so darf der Mensch im Vorgefühl seiner selbst nur immer etwas weiter schreiten und diese Einwirkung auf’s Sittliche, auf Glück und Unglück ausdehnen. Diesen und ähnlichen Wahn möchte ich nicht einmal Aberglauben nennen, er liegt unserer Natur so nahe, ist so leidlich und läßlich als irgend ein Glaube.
Nicht allein in gewissen Jahrhunderten, sondern auch in gewissen Epochen des Lebens, ja bei gewissen Naturen, tritt er öfter als man glauben kann, herein. Hat doch der verstorbene König in Preußen bloß darum auf den Wallenstein gehofft, weil er erwartete daß dieses Wesen ernsthaft darin behandelt seyn würde.
Der moderne Orakel-Aberglaube hat auch manches poetische Gute, nur ist gerade diejenige Species, die Sie gewählt haben, dünkt mich, nicht die beste, sie gehört zu den Anagrammen, Chronodistichen, Teufelsversen, die man rückwärts wie vorwärts lesen kann, und ist also aus einer geschmacklosen und pedantischen Verwandtschaft, an die man durch ihre incurable Trockenheit erinnert wird. Die Art, wie Sie die Scene behandelt haben, hat mich wirklich im Anfang so bestochen daß ich diese Eigenschaften nicht merkte und nur erst durch Reflexion darauf kam. Übrigens mag ich, nach meiner Theatererfahrung, herumdenken wie ich will, so läßt sich dieses Buchstabenwesen nicht anschaulich machen. Die Lettern müssen entweder verschlungen seyn wie die M. des Matthias. Die F. müßte man in einem Kreis stellen, die man aber, wenn man sie auch noch so groß machte, von weitem nicht erkennen würde.
Das sind meine Bedenklichkeiten, zu denen ich nichts weiter hinzufüge. Ich habe mit Meyern darüber consultirt, welcher auch meiner Meinung ist. Nehmen Sie nun das Beste heraus. Mein sehnlichster Wunsch ist, daß Ihre Arbeit fördern möge.
Meine zerstückelte Zeit bis Neujahr will ich so gut als möglich zu benutzen suchen. Das zweite Stück der Propyläen ist nun ganz abgegangen. Manuscript zum dritten ist vorräthig, wovon etwa nur noch die Hälfte zu redigiren ist; ich werde mein Möglichstes thun auch damit in drei Wochen fertig zu werden.
Zu dem vierten Stück habe ich einen besondern Einfall, den ich Ihnen communiciren will, und überhaupt denke ich mich so einzurichten daß mir das Frühjahr zu einer größern Arbeit frei bleibt. Die Schemata zur Chromatik hoffe ich mit Ihrem Beistand auch bald vorwärts zu bringen.
Und so geht ein närrisch mühsames Leben immerfort, wie das Mährchen der Tausend und Einen Nacht, wo sich immer eine Fabel in die andere einschachtelt.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie die liebe Frau.
G.
H 552 | S 549 | B 551
Jena, den 7. Dezember 1798
Wir leben jetzt wieder in sehr entgegengesetzten Zuständen, Sie unter lauter Zerstreuungen, die Ihnen keine Sammlung des Gemüths erlauben, und ich in einer Abgeschiedenheit und Einförmigkeit, die mich nach Zerstreuung seufzen macht, um den Geist wieder zu erfrischen. Ich habe übrigens diese traurigen Tage, die sich erst heute wieder aufhellten, nicht ganz unnütz verbracht, und einige bedeutende Lücken in meiner Handlung ausgefüllt, wodurch sie sich immer mehr rundet und stetiger wird. Es sind verschiedene ganz neue Scenen entstanden, die dem Ganzen sehr gut thun. Auch jenen nicht ganz aufzuhebenden Bruch, von dem Sie schreiben, in Betreff des Tollen und Vernünftigen, seh’ ich dadurch etwas vermindert, indem alles darauf ankommt, daß jene seltsame Verbindung heterogener Elemente als beharrender Charakter erscheine, aus dem Total des Menschen hervorkomme und sich überall offenbare. Denn wenn es gelingt sie nur recht individuell zu machen, so wird sie wahr, da das Individuelle zur Phantasie spricht, und man es also nicht mit dem trockenen Verstand zu thun hat.
Wenn Sie glauben, daß wir das astrologische Zimmer nicht einbüßen sollten, so ließe sich immer noch Gebrauch davon machen, auch im Fall, daß wir die andere Fratze behielten. Das Mehr schadet hier nichts, und eins hilft dem andern. Mir ist eigentlich nur darum zu thun, daß ich von Ihnen wisse, ob das neulich Überschickte überall nur statthaft ist, denn es ist gar nicht nöthig, daß etwas anderes dadurch ausgeschlossen wird.
Ich weiß Ihnen heute nichts zu sagen, was Sie interessiren könnte, denn ich bin nicht aus meiner Arbeit gekommen, und habe auch von außen nichts in Erfahrung gebracht.
Wollten Sie mir nicht das Buch über den Caucasus verschaffen, von dem Sie mir öfters sagten? Ich habe jetzt gerade ein Bedürfniß nach einer ergötzlichen Lectüre.
Leben Sie recht wohl, an Meyern viele Grüße. Meine Frau empfiehlt sich.
Sch.
H 551 | S 548 | B 550
Weimar, den 5. Dezember 1798
Ihr Brief findet mich in großer Zerstreuung und in Beschäftigungen, die mit einem ästhetischen Urtheile über dramatische Motive nichts Gemeines haben. Ich muß also um Aufschub bitten bis ich meine Gedanken über Ihre Anfrage sammeln kann. Dem ersten Anblick nach scheint mir die Idee sehr wohl gefunden, und ich sollte denken, daß man dabei acquiesciren könnte. Denn wie Sie auch selbst bemerken, so scheint immer ein unauflösbarer Bruch zwischen dieser Fratze und der tragischen Würde übrig zu bleiben, und es kann vielleicht nur die Frage seyn, ob sie etwas Würdiges hervorbringe, und das scheint mir dießmal geleistet.
Ist doch selbst der politische Stoff nicht viel besser als der astrologische, und mich dünkt man müßte den astrologischen, um ihn zu beurtheilen, nicht unmittelbar gegen das Tragische halten, sondern das Astrologische wäre als ein Theil des historisch, politisch, barbarischen Temporären mit in der übrigen Masse gegen das Tragische zu stellen und mit ihm zu verbinden.
Den fünffachen Buchstaben, ob er mir gleich wohl gefällt, weiß ich noch nicht gegen jenes astrologische Zimmer zu bilanciren; beides scheint etwas für sich zu haben. Und ich muß endigen wie ich anfing, daß ich heute weder im Stande bin rein zu empfinden noch recht zu denken.
Nehmen Sie daher nur noch ein Lebewohl und grüßen mir Ihre liebe Frau.
G.
H 550 | S 547 | B 549
Jena, den 4. Dezember 1798
Ich muß Sie heute mit einer astrologischen Frage behelligen, und mir Ihr ästhetisch-kritisches Bedenken in einer verwickelten Sache ausbitten.
Durch die größere Ausdehnung der Piccolomini bin ich nun genöthigt, mich über die Wahl des astrologischen Motivs zu entscheiden, wodurch der Abfall Wallenstein’s eingeleitet werden und ein muthvoller Glaube an das Glück der Unternehmung in ihm erweckt werden soll. Nach dem ersten Entwurf sollte dieß dadurch geschehen, daß die Constellation glücklich befunden wird, und das Speculum astrologicum sollte in dem bewußten Zimmer vor den Augen des Zuschauers gemacht werden. Aber dieß ist ohne dramatisches Interesse, ist trocken, leer und noch dazu wegen der technischen Ausdrücke dunkel für den Zuschauer. Es macht auf die Einbildungskraft keine Wirkung und würde nur eine lächerliche Fratze bleiben. Ich habe es daher auf eine andere Art versucht und gleich auszuführen angefangen, wie Sie es aus der Beilage ersehen.
Die Scene eröffnete den vierten Akt der Piccolomini, nach der neuen Eintheilung, und ginge dem Auftritte, worin Wallenstein Sesin’s Gefangennehmung erfährt und worauf der große Monolog folgt, unmittelbar vorher; und es wäre die Frage, ob man des astrologischen Zimmers nicht ganz überhoben seyn könnte, da es zu keiner Operation gebraucht wird.
Ich wünschte nun zu wissen, ob Sie dafür halten, daß mein Zweck, der dahin geht, dem Wallenstein durch das Wunderbare einen augenblicklichen Schwung zu geben, auf dem Weg den ich gewählt habe, wirklich erreicht wird, und ob also die Fratze, die ich gebraucht, einen gewissen tragischen Gehalt hat und nicht bloß als lächerlich auffällt. Der Fall ist sehr schwer, und man mag es angreifen wie man will, so wird die Mischung des Thörichten und Abgeschmackten mit dem Ernsthaften und Verständigen immer anstößig bleiben. Auf der andern Seite durfte ich mich von dem Charakter des Astrologischen nicht entfernen, und mußte dem Geist des Zeitalters nahe bleiben, dem das gewählte Motiv sehr entspricht.
Die Reflexionen, welche Wallenstein darüber anstellt, führe ich vielleicht noch weiter aus, und wenn nur der Fall selbst dem Tragischen nicht widersprechend und mit dem Ernst unvereinbar ist, so hoffe ich ihn durch jene Reflexionen schon zu erheben.
Haben Sie nun die Güte und sagen mir darüber Ihre Meinung.
Das jetzige fatale Wetter setzt mir sehr zu, und ich habe durch Krämpfe und Schlaflosigkeiten wieder einige Tage für meine Arbeit verloren.
Meine Frau empfiehlt sich auf’s beste, und für den Braten danken wir Ihnen gar schön. Er ist sehr willkommen gewesen.
Leben sie recht wohl. Ich wünsche zu hören, daß Sie in Ihren Schematibus etwas vorrücken mögen.
Sch.
H 549 | S 546 | B 548
Weimar, den 1. Dezember 1798
Wie sehr unterschieden ist der Nachklang unserer ruhigen Betrachtungen, den ich aus Ihrem Briefe vernehme, von dem Getöse das mich die paar Tage meines hiesigen Aufenthaltes schon wieder umgibt. Doch war es nicht ohne Nutzen für mich; denn Graf Fries hat unter andern ein Dutzend alte Kupfer vom Martin Schön mitgebracht an denen ich zuerst das Verdienst und Unverdienst dieses Künstlers schematisiren konnte. Es ist uns höchst wahrscheinlich, obgleich Freund Lerse die entgegengesetzte Hypothese hat, daß die Deutschen in einer frühern Connexion mit Italien gestanden.
Martin Schön hat nach Masaccio’s Tode noch vierzig Jahre gelebt; sollte in dieser Zeit gar kein Hauch über die Alpen herüber gekommen seyn? Ich habe über diese Sache niemals nachgedacht, sondern sie eben so gut seyn lassen; sie interessirt mich aber für die Zukunft mehr.
Die Behandlungsart, die Sie den chromatischen Arbeiten vorschreiben, bleibt freilich mein höchster Wunsch, doch fürchte ich fast, daß sie wie jede andere Idee unerreichbar seyn wird; das Mögliche wird durch Ihre Theilnahme hervorgebracht werden. Jedermann hält die Absonderung der Hypothese vom Facto sehr schwer, sie ist aber noch schwerer als man gewöhnlich denkt, weil jeder Vortrag selbst, jede Methode schon hypothetisch ist.
Da Sie als ein Dritter nunmehr nach und nach meinen Vortrag anhören, so werden Sie das Hypothetische vom Factischen besser trennen, als ich es nun für die Zukunft je vermag, weil sich gewisse Vorstellungsarten doch bei mir festgesetzt, und gleichsam factisirt haben. Ferner ist Ihnen das interessant, woran ich mich schon matt und müde gedacht habe, und Sie finden die Hauptpuncte worauf das meiste ankommt eher heraus. Doch davon ist jetzt keine Zeit zu reden; ich erwarte Freunde zum Frühstück, und von da wird es bis zur Zauberflöte zwar nicht feenmäßig, doch bunt und unruhig genug zugehen.
Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und gedenken mein, wenn Sie den Braten verzehren den ich Ihnen hier überschicke.
G.
H 548 | S 545 | B 547
Jena, den 30. November 1798
Ich bin es diese Tage her so gewohnt worden daß Sie in der Abendstunde kamen, und die Uhr meiner Gedanken aufzogen und stellten, daß es mir ganz ungewohnt thut, nach gethaner Arbeit, mich an mich selbst verwiesen zu sehen. Besonders wünschte ich, daß uns nicht erst am letzten Tag eingefallen wäre, den chromatischen Cursus anzufangen, denn gerade eine solche reine Sachbeschäftigung gewährte mir eine heilsame Abwechslung und Erholung von meiner jetzigen poetischen Arbeit, und ich würde gesucht haben, mir in Ihrer Abwesenheit auf meine eigene Weise darin fortzuhelfen. So viel bemerkte ich indessen daß ein Hauptmoment in der Methode seyn wird, den rein factischen so wie den polemischen Theil auf’s strengste von dem hypothetischen unterschieden zu halten, daß die Evidenz des Falles und die des Newtonischen Falsums nicht in das Problematische der Erklärung verwickelt werde, und daß es nicht scheine, als wenn jene auch so wie diese einen gewissen Glauben postulire. Es liegt zwar schon in Ihrer Natur, die Sache und die Vorstellung wohl zu trennen, aber dem ungeachtet ist es kaum zu vermeiden, daß man eine gangbar gewordene Vorstellungsweise nicht zuweilen den Dingen selbst unterschiebt, und aus einem bloßen Instrument für das Denken eine Realursache zu machen geneigt ist.
Ihre lange Arbeit mit den Farben und der Ernst, den Sie darauf verwendet, muß mit einem nicht gemeinen Erfolg belohnt werden. Sie müssen, da Sie es können, ein Muster aufstellen, wie man physikalische Forschungen behandeln soll, und das Werk muß durch seine Behandlung eben so belehrend seyn als durch seine Ausbeute für die Wissenschaft.
Wenn man überlegt, daß das Schicksal dichterischer Werke an das Schicksal der Sprache gebunden ist, die schwerlich auf dem jetzigen Puncte stehen bleibt, so ist ein unsterblicher Name in der Wissenschaft etwas sehr Wünschenswürdiges.
Heute endlich habe ich den Wallenstein zum erstenmal in die Welt ausfliegen lassen und an Iffland abgeschickt. Die Costumes werden Sie so gütig seyn, ihm bald schicken zu lassen, weil er sie bald nöthig haben könnte. Ich hab’ ihn vorläufig davon benachrichtigt.
Meyern, den ich bestens grüße, bitte um Zurücksendung der quittirten Rechnung.
Leben Sie recht wohl in Ihren jetzigen Zerstreuungen. Wie wünschte ich daß Sie mir Ihre Muse, die Sie jetzt gerade nicht brauchen, zu meiner jetzigen Arbeit leihen könnten.
Die Frau grüßt bestens. Leben Sie wohl.
Sch.
H 547 | S 544 | B 546
Jena, den 24. November 1798
Ich wünsche Ihnen also, da ich Sie heute nicht mehr sehe, eine reiche Ausbeute bei der heutigen Charakterausstellung. Ich selbst werden den Abend in stiller philosophischer Gesellschaft mit Schelling zubringen.
Der heutige Wintertag, durch das Schlittengeklingel unterbrochen, ist mir nicht unangenehm; und obgleich meine jetzige Arbeit nicht von der Art ist, daß sich die Fortschritte gut bemerken lassen, so bin ich doch nicht unthätig.
Anbei folgen die Atlanten, die Sie doch vielleicht unterhalten, da sich der verwegen oratorische Ton an Diderot’s Kunstreflexionen einigermaßen anschließt, den Geist immer ausgenommen.
Leben Sie recht wohl. Ich hoffe morgen viel von Ihnen zu hören.
Sch.
H 546 | S 543 | B 545
[Jena, 24. November 1798]
Dieser viele Schnee, wenngleich das Barometer steigt, traktirt mich nicht zum besten, ich will daher zu Hause bleiben, bis der Loderische Wagen mich zum Feenpalast der Literatur hinführt.
Mein Familiengemälde der Kunstfreunde und Sammler geht recht gut vorwärts. Dienstag abend haben wir den Grund dazu gelegt, und es wäre wirklich lustig genug, wenn ich nächsten Dienstag damit aufwarten könnte.
Wie geht es mit Ihrer Arbeit? Ich wünsche gar sehr, daß Sie darin vorschreiten mögen.
Wollten Sie mir nicht die Geschichte der Atlanten schicken? so eine hypothetische Lektüre ist nach Tische nicht übel. Leben Sie recht wohl und beschließen fröhlich diese Woche.
G.
H – | S 542 | B 544
[Jena, 21. November 1798.]
Ich bitte mir die Piccolominis aus. Iffland, der heute geschrieben und meinen Kontrakt ratifiziert hat, treibt mich, das Stück bald zu schicken, und so muß ich denn die Nebenstunden benutzen, ihm seine letzte Gestalt zu geben. Auch wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, in diesen Tagen über die Theaterforderungen an das Stück übereinzukommen suchen.
S.
H – | S 541 | B 543
[Jena, ]den 16. November 1798
Indem ich das Schema der physiologischen Farben überschicke, empfehle ich es zur Beherzigung, als Base unserer Untersuchungen und Disceptationen.
Knebel empfiehlt sich und schickt einen Properz.
Darf ich um Sulzer’s Wörterbuch bitten? Es ist nun Zeit daß ich mich nach den hergebrachten Vorstellungsarten umsehe. Der ich wünsche wohl geschlafen zu haben.
Zugleich folgt auch noch ein Exemplar Propyläen.
G.
H 545 | S 540 | B 542
Weimar, den 10. November 1798
Hier schicke ich Abdrücke, so viel fertig geworden sind, ich weiß selbst nicht wie viel.
Morgen gegen Abend bin ich bei Ihnen und hoffe eine Zeit lang zu bleiben. Mögen meine Wünsche nicht vergeblich seyn!
Für den Wallenstein danke ich; die zwei ersten Acte habe ich heute früh mit großem Vergnügen gelesen. Den ersten, den ich nun so genau kenne, halte ich fast durchaus für theatralisch zweckmäßig. Die Familienscenen sind sehr glücklich und von der Art die mich rührt. In der Audienzscene möchten einige historische Punkte deutlicher auszusprechen seyn, so wie ich in meiner Ausgabe des Prologs den Wallenstein zweimal genannt habe. Man glaubt nicht was man deutlich zu seyn Ursache hat. Doch wird uns über alles dieses das Gespräch bald aufklären, worauf ich mich sehr freue. Leben Sie recht wohl, ich sage nichts weiter.
G.
H 544 | S 539 | B 540
Jena, den 9. November 1798
Ich bin seit gestern endlich an den poetisch wichtigsten, bis jetzt immer aufgesparten Theil des Wallenstein’s gegangen, der der Liebe gewidmet ist, und sich seiner frei menschlichen Natur nach, von dem geschäftigen Wesen der übrigen Staatsaction völlig trennt, ja demselben, dem Geist nach, entgegensetzt. Nun erst, da ich diesem letztern die mir mögliche Gestalt gegeben, kann ich mir ihn aus dem Sinne schlagen und eine ganz verschiedene Stimmung in mir aufkommen lassen; und ich werde einige Zeit damit zuzubringen haben, ihn wirklich zu vergessen. Was ich nun am meisten zu fürchten habe ist, daß das überwiegende menschliche Interesse dieser großen Episode an der schon feststehenden ausgeführten Handlung leicht etwas verrücken möchte: denn ihrer Natur nach gebührt ihr die Herrschaft, und je mehr mir die Ausführung derselben gelingen sollte, desto mehr möchte die übrige Handlung dabei in’s Gedränge kommen. Denn es ist weit schwerer ein Interesse für das Gefühl als eins für den Verstand aufzugeben.
Vor der Hand ist nun mein Geschäft, mich aller Motive, die im ganzen Umkreis meines Stücks für diese Episode und in ihr selbst liegen, zu bemächtigen, und so, wenn es auch langsam geht, die rechte Stimmung in mir reifen zu lassen. Ich glaube mich schon auf dem eigentlichen rechten Weg zu finden und hoffe daher keine verlorene frais zu machen.
So viel muß ich aber vorher sagen, daß der Piccolomini nicht eher aus meiner Hand in die der Schauspieler kommen kann und darf, als bis wirklich auch das dritte Stück, die letzte Hand abgerechnet, ganz aus der Feder ist. Und so wünsche ich nur daß mir Apollo gnädig seyn möchte, um in den nächsten sechs Wochen meinen Weg zurückzulegen.
Damit mir meine bisherige Arbeit aus den Augen komme, sende ich sie Ihnen gleich jetzt. Es sind nur eigentlich zwei kleine Lücken geblieben, die eine betrifft die geheime magische Geschichte zwischen Octavio und Wallenstein, und die andre die Präsentation Questenbergs an die Generale, welche mir in der ersten Ausführung noch etwas Steifes hatte, und wo mir die rechte Wendung noch nicht einfiel. Die zwei ersten und die zwei letzten Acte sind sonst fertig, wie Sie sehen, und der Anfang des dritten ist auch abgeschrieben.
Vielleicht hätte ich mir’s ersparen können Ihnen das Manuscript nach Weimar zu schicken, da ich Sie, nach Ihrem letzten Brief, jeden Tag erwarten kann.
Zu den Farbenuntersuchungen wünsche ich Ihnen herzlich Glück, denn es wird sehr viel gewonnen seyn, wenn Sie diese Last sich vom Herzen gewälzt haben, und da der Winter Sie so nicht zum Produciren bestimmt, so können Sie ihn nicht besser anwenden, als wenn Sie, neben der Sorge für die Propyläen, dieser Arbeit sich widmen.
Was von Decken und Kupfern fertig ist, bitte mir mit der Botenfrau zu senden. Von den Kupfern brauche ich 115 weniger als bestellt sind, denn so viel fanden sich zufälligerweise noch. Ich ersuche Meyern diese abzubestellen, wenns noch möglich ist.
Daß mir Iffland noch nicht geantwortet, kommt mir bedenklich vor, denn er pressirte mich selbst so sehr und es ist sein Interesse das Stück bald zu haben, wenn er es ernstlich will.
Leben sie nun recht wohl. Mein Aufenthalt in der Stadt ist mir bisher ganz gut bekommen. Meine Frau grüßt.
Sch.
H 543 | S 538 | B 539
Weimar, den 7. November 1798
Ihren Brief, mein Werthester, habe ich leider erst gestern Abend gefunden, als ich von Roßla zurückkam. Professor Meyer wird das mögliche thun, Ihnen die Abdrücke bald zu schaffen.
Ich gratulire zum Einzug in die Stadt. Die Nachbarschaft gibt denn doch, besonders den Winter, eine lebhaftere und bequemere Communication.
Schröders Antwort ist, wie es scheint, Ihnen sonderbarer vorgekommen als mir. Bei meinem radicalen Unglauben an die Menschen kommt mir so etwas ganz natürlich vor.
Eben so möchte ich auch wegen der Aufnahme des Almanachs sagen: wer nicht, wie jener unvernünftige Sämann im Evangelio, den Samen umherwerfen mag ohne zu fragen was davon und wo es aufgeht, der muß sich mit dem Publico gar nicht abgeben.
Ich wünsche guten Fortgang des Wallensteinischen Gedichtes. Was mich betrifft so komme ich dießmal mit dem festen Vorsatz zu Ihnen, mir das Farbenwesen, es koste was es wolle, vom Halse zu schaffen. Ich habe es diese letzten Tage einmal ganz wieder überdacht und die Darstellung meiner Ansichten scheint mir immer möglicher zu werden.
Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau; ich werde nun nicht lange mehr außen bleiben.
G.
H 176 | S 175 | B 176
Jena, den 6. November 1798
Ich schreibe Ihnen von meinem Castell in der Stadt; wir sind heut eingezogen, und, abgemattet wie ich bin, kann ich Ihnen nichts als einen guten Abend sagen. Wir haben lange nichts von Ihnen gehört, es ist mir etwas ganz Ungewohntes, an das ich mich auch nicht gewöhnen möchte.
Die Arbeit geht übrigens ihren Gang fort, und Sie sollen schon etwas gethan finden, wenn Sie kommen.
An die Decken und Kupfer erinnre nochmals; ich werde sehr drum gemahnt.
Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt auf’s beste.
Sch.
H 541 | S 536 | B 537
Jena, den 2. November 1798
Herrn Schröders Brief send’ ich anbei zurück. Wir haben, wie ich sehe, ohne seinen Ehrgeiz in Bewegung zu setzen, bloß seiner Eitelkeit geschmeichelt, und unsere Artigkeiten gegen ihn werden, scheint es, bloß dazu gebraucht werden, sein Schmollen mit den Hamburgern desto pikanter zu machen. Es ist klein und armselig, daß er diese localen Bitterkeiten gegen Menschen, von denen man in Weimar keine Notiz nimmt, in diese reine freie Kunstangelegenheit und in den Brief an Sie konnte mit einfließen lassen.
NB. Es ist dringend nöthig daß noch 600 Kupfer und Umschläge vom Almanach so schnell als möglich abgedruckt werden. Haben Sie daher die Güte Meyern zu ersuchen, daß er dieses ja schleunigst besorgen möge, und daß ich spätestens auf den Mittwoch Abend 400 davon bekomme. Ich hatte es Cotta ersparen wollen, unnöthig Geld für diese Sache auszugeben, aber die Gewohnheit, Exemplare auf Commission zu versenden, macht daß eine große Zahl mehr verschickt als wirklich gekauft wird. Ich sende zu den Titelkupfern Papier, für die Umschläge kann es Meyer wohl in Weimar finden, hellgelbes scheint das wohlfeilste zu seyn.
Über den Almanach habe ich noch wenig vernommen. Von Körnern erwarte ich den gewöhnlichen umständlichen Brief darüber; vorläufig habe ich nur von ihm gehört, was ihm am besten gefallen. Diese Art, oder Unart, aus Werken einer bestimmten poetischen Stimmung sich eines auszusuchen, und ihm wie einem besser schmeckenden Apfel den Vorzug zu geben, ist mir immer fatal, obgleich es keine Frage ist, daß unter mehreren Productionen immer eins das bessere seyn kann und wird. Aber das Gefühl sollte gegen jedes besondere Werk einer besondern Stimmung gerechter seyn, und gewöhnlich sind hinter solchen Urtheilen doch nur Sperlingskritiken versteckt.
Ich hätte gar nicht übel Lust, sobald ich vor dem Wallenstein nur Ruhe habe, zu demjenigen Theil Ihrer Einleitung in die Propyläen und des Gesprächs, der von der unästhetischen Forderung des Naturwirklichen handelt, das Gegenstück zu machen und die entgegengesetzte, aber damit gewöhnlich verbundene Forderung des Moralischen und Naturmöglichen, oder vielmehr Vernunftmöglichen anzugreifen; denn wenn man von dieser Seite auch noch herankommt, so bekommt man den Feind recht in die Mitte. Sie konnten davon nicht wohl reden, weil diese Unart nicht sowohl die bildenden Künste und Urtheile darüber, als die poetischen Werke und Kritiken derselben anzustecken pflegt.
Leben Sie recht wohl für heute. Es ist mir unangenehm, daß Ihre Hieherkunft verzögert wird. Hier heißt es, man würde morgen Wallensteins Lager wieder spielen, ich zweifle aber daran.
Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt auf’s beste.
Die 600 Kupfer und Umschläge empfehle nochmals.
Sch.
H 540 | S 535 | B 536
Weimar, den 31. Oktober 1798
Hier schicke ich den Schröderischen Brief zum Zeugniß daß ich nicht übel gelesen habe. Ich habe nie sonderliche Hoffnung auf sein Kommen gehabt, indessen haben wir das Unsrige gethan.
Der Herzog ist nicht wohl, darüber werde ich etwas später kommen, denn ich muß doch noch einmal vorher nach Roßla. Mich verlangt gar sehr zu sehen wie weit Sie gekommen sind, und fühle ein wahres Bedürfnis das Farbenwesen endlich einmal los zu werden. Die Propyläen sind für mich eine wahre Wohlthat, indem sie mich endlich nöthigen die Ideen und Erfahrungen, die ich mit mir so lange herumschleppe, auszusprechen. Es freut mich sehr, wenn Ihnen das erste Stück recht freundlich und gemüthlich entgegen gekommen ist. Leben Sie recht wohl, genießen Sie der schönen Tage, ich habe jetzt nur meine großen Zimmer im Schloß und meinen neuen Ofen im Auge, und hege keinen andern Wunsch als von der Chromatik entbunden zu sein; doch wer kann wissen was über uns verhängt sey. Grüßen Sie Ihre leibe Frau, und bleiben Sie fest im Bunde des Ernstes und der Liebe, alles übrige ist ein leeres und trauriges Wesen.
G.
H 539 | S 534 | B 535