327. An Schiller

Jena, den 14. Juni 1797

Ich werde Sie leider heute nicht sehen; der Regen und die Nothwendigkeit heute Abend in dem Clubb einigermaßen angezogen zu seyn, hindern mich an meiner gewöhnlichen Wallfahrt.

Ich schicke den veränderten Schlegel’schen Aufsatz, zu beliebigem Gebrauche, und wünsche daß der Taucher möge glücklich absolvirt seyn.

Ich habe mich heute früh an Amlet des Saxo Grammaticus gemacht; es ist leider die Erzählung, ohne daß sie stark durch’s Läuterfeuer geht, nicht zu brauchen; kann man aber Herr darüber werden, so wird es immer artig und wegen der Vergleichung merkwürdig.

Das Barometer will noch immer nicht weiter steigen und der Himmel scheint ohne dasselbe, aus eigner Macht und Gewalt, kein gut Wetter machen zu wollen. Leben Sie recht wohl.

G.

H 326 | S 327 | B 327

326. An Schiller

Jena, den 13. Juni 1797

Ich schicke das Restchen Cellini und das Blumenmädchen und erbitte mir dagegen die Dame des belles cousines, zu der ich unbekannter Weise eine besondere Neigung hege; sodann auch den Almanach der die Würde der Frauen enthält, zu einem schwer zu errathenden Zwecke.

Das Barometer steht noch immer tief und nöthigt uns zu häuslicher, innerlicher Behaglichkeit. Ich komme diesen Nachmittag nur ein wenig, weil ich diesen Abend leider das helle Nachtmahl nicht mit einnehmen kann.

G.

H 325 | S 326 | B 326

325. An Schiller

Jena, den 13. Juni 1797

Dem Herren in der Wüste bracht’
Der Satan einen Stein,
Und sagte: Herr, durch deine Macht,
Laß es ein Brötchen sein!

Von vielen Steinen sendet dir
Der Freund ein Musterstück;
Ideen giebst du bald dafür
Ihm tausendfach zurück.

G.

H 324 | S 325 | B 325

324. An Schiller

Jena, 10. Juni 1797

Hier schicke ich den Schlegel’schen Aufsatz, er scheint mir im Ganzen gut gedacht und gut geschrieben, einige Stellen habe ich angezeichnet, die mit Wenigem verbessert werden könnten; Sie thun ja wohl das Gleiche, und wenn ich den Aufsatz diesen Abend mit nach Hause nehmen kann, so berichtige ich alles morgen mit ihm, so daß Sie Montag den hungrigen Stunden dieses Frühstück nebst einem Bissen Cellini vorsetzen können. Leben Sie recht wohl und lassen Ihren Taucher je eher je lieber ersaufen. Es ist nicht übel, da ich meine Paare in das Feuer und aus dem Feuer bringe, daß Ihr Held sich das entgegengesetzte Element aussucht.

G.

H 323 | S 324 | B 324

323. An Schiller

Jena, den 3. Juni 1797

Hierbei Urania. Möchten uns doch die neune, die uns bisher beigestanden haben, bald noch zum epischen Schweife verhelfen.

Meine Schriften, artig geheftet, liegen nunmehr für Boie da; ich will einen Brief dazu schreiben und sie wohlgepackt fortschicken; Sie haben wohl die Güte mir die Adresse anzuzeigen.

Ich lege auch die Zeichnung für die Decke des Musenalmanachs bei; die Absicht ist freilich daß das Kupfer auf bunt Papier gedruckt und die Lichter mit Gold erhöht werden sollten. Es ist zu wünschen daß ein geschickter Kupferstecher mit Beurtheilung bei der Arbeit verfahre, damit sie auch ohne jene Aufhöhung guten Effect thue.

Ich bitte mir den Gesang, sobald Sie ihn gelesen haben, wieder zurückzuschicken, indem ich ihn gleich abzusenden gedenke. Leben Sie recht wohl und lassen den heutigen schönen Tag fruchtbar seyn.

G.

H 322 | S 323 | B 323

322. An Goethe

Jena, den 29. Mai 1797

Ich wünsche, daß Sie auf die gestrige Partie recht wohl geschlafen haben mögen. Der Besuch von Mignon war mir sehr erfreulich, bleiben Sie ja bei diesem Individuum, es läßt sich in dieser eigenen Seele so vieles empfinden und aussprechen, was in keiner andern geschehen kann. Böttigern hätte meine Frau morgen abend am liebsten. Wenn Gerning so bald geht, so würde die Reise Sie doch früher überraschen, als Sie gedacht haben – und wie stehts dann um die Urania? und um die übrigen poetischen und biblischen Pläne?

Schiller

Leben Sie recht wohl. Wir sehen Sie doch heute abend?

[Nicht bei H, zitiert nach S.]

H – | S 322 | B 322

321. An Schiller

Jena, den 28. Mai 1797

Ich sende hiermit Ihren reellen Theaterbeutel mit Dank zurück; es hat wohl selten ein dramatischer Schriftsteller einen solchen ausgespendet.

Ich habe auch nunmehr die Rechnung ajustiren lassen, die Ihrige in Copia beigefügt und das Ganze unterschrieben, wodurch denn also das Jahr saldirt wäre. Nur wünschte ich die Escherische Quittung oder eine beglaubigte Abschrift derselben wegen der gezahlten 200 Stück Laubthaler zu haben, weil ich sie bei meiner Meyerischen Rechnung bedarf.

Gerning scheint Ernst zu machen; er meldet daß er Pfingsten nach Italien gehen will.

Böttiger wird morgen ankommen und einige Tage bleiben; es wird nun von Ihnen abhängen wann er Ihren Grund und Boden einmal betreten darf.

Heute werde ich nicht das Vergnügen haben Sie zu sehen; bei Tage wage ich mich nicht vor die Thüre und Abends bin ich zu einigen Feierlichkeiten geladen.

Der Eindruck von dem wiederholten Lesen des Prologs ist mir sehr gut und gehörig geblieben, allein der Aufwand wäre für ein einziges Drama zu groß. Da Sie einmal durch einen sonderbaren Zusammenfluß von Umständen diese Zeitepoche historisch und dichterisch bearbeitet haben, so liegt Ihnen individuell in der Hand wornach man sich im allgemeinen so weit umsieht: ein eigner Cyclus, in den Sie, wenn Sie Lust haben, auch Privatgegenstände hineinwerfen und sich für Ihre ganze dichterische Laufbahn alle Exposition ersparen können.

Sie äußerten neulich schon eine solche Idee und sie dringt sich mir jetzt erst recht auf.

Sie erhalten zugleich ein Gedicht, das sich auch an einen gewissen Kreis anschließt. Leben Sie recht wohl und erfreuen sich des Abends der schön zu werden verspricht.

G.

H 321 | S 321 | B 321

In eigener Sache

München, den 27. Mai 2012

Update: Ich habe eine alte Version meines Themes gefunden, hier muss noch Hand angelegt werden, bis alles wieder so aussieht und funktioniert, wie ich mir das gedacht habe. Aber es ist schon mal besser als das Standard-Theme.

Leider muss ich den Briefwechsel kurz mit einer Durchsage in eigener Sache unterbrechen.

Beim Update der WordPress-Installation wurde versehentlich das Theme der Site gelöscht, weshalb WordPress aktuell auf das Standard-Theme zurückgreift und die Site jetzt so aussieht, wie sie aussieht.

Derzeit durchwühle ich meine Backups und hoffe, eine Kopie des ursprünglichen Themes zu finden.

Ende der Durchsage ;-).

320. An Goethe

[Jena, den 27. Mai 1797]

Der heutige Tag ist recht hübsch, sein Gemüth zu sammeln, und ladet zur Arbeit ein. Moses, so wie Sie ihn genommen, ist dem Cellini wirklich gar nicht so unähnlich, aber man wird die Parallele greulich finden.

Hier die Rechnung. Das Geld will ich Ihnen lieber selbst geben, die Summe ist zu groß.

Leben Sie recht wohl.

Sch.

H 320 | S 320 | B 320

319. An Schiller

Jena, den 27. Mai 1797

Hier schicke ich eine Copie der Quittung und lege auch die Berechnung bei die ich mir aber zurück erbitte. Können Sie mir sagen wie viel ich erhalte, so wird es mir angenehm seyn.

Die beiden handfesten Bursche Moses und Cellini haben sich heute zusammen eingestellt; wenn man sie neben einander sieht, so haben Sie eine wundersame Ähnlichkeit. Sie werden doch gestehn, daß dieß eine Parallele ist, die selbst Plutarchen nicht eingefallen wäre. Leben Sie recht wohl bei diesem leidlichern Tage.

G.

H 319 | S 319 | B 319

318. An Goethe

Jena, den 23. Mai 1797

Dank Ihnen für Ihr liebes Billet und das Gedicht! Dieß ist so musterhaft schön und rund und vollendet, daß ich recht dabei gefühlt habe, wie auch ein kleines Ganze, eine einfache Idee durch die vollkommene Darstellung einem den Genuß des Höchsten geben kann. Auch bis auf die kleinsten Forderungen des Metrums ist es vollendet. Übrigens belustigte es mich, diesem kleinen Stücke die Geistes-Atmosphäre anzumerken, in der Sie gerade leben mochten, denn es ist ordentlich recht sentimentalisch schön.

Ich wünsche Ihnen eine recht gute Nacht zu einem lustigen Abend, und möchte die schöne Muse, die bei Tage und wachend sie begleitet, sich gefallen lassen, Ihnen Nachts in der nämlichen, aber körperlichen Schönheit sich zuzugesellen.

Sch.

H 318 | S 318 | B 318

317. An Schiller

Jena, den 23. Mai 1797

Ich fange nun schon an mich dergestalt an mein einsames Schloß- und Bibliothekwesen zu gewöhnen, daß ich mich kaum herausreißen kann und meine Tage neben den Büttner’schen Laren, zwar unbemerkt, aber doch nicht ungenutzt vorbeistreichen. Um 7 Uhr geh’ ich ins Concert und dann zu Lodern, ich werde also Sie und den freundlichen Himmel heute nicht sehen. Das Wetter verspricht gute Dauer, denn das Barometer ist gestiegen.

Über die Einleitung unseres Blumenmädchens hab‘ ich auch gedacht. Der Sache ist, glaub’ ich, durch einen doppelten Titel und ein doppeltes Titelblatt geholfen, wo auf dem äußern, sonst der Schmutztitel genannt, die Stelle des Plinius dem Leser gleich entgegen kommt. Ich lasse in diesem Sinne gegenwärtig eine Abschrift für Sie machen.

Hierbei erhalten Sie zugleich noch ein kleines Gedicht, mit dem Wunsch daß es Ihnen wohl und vergnüglich seyn möge. Mir geht es übrigens so gut daß die Vernunft des Petrarchs alle Ursache hätte mir einen großen Sermon zu halten.

G.

H 317 | S 317 | B317

316. An Schiller

Weimar, am 17. Mai 1797

Es thut mir leid daß Sie vom nahen Bauwesen so viel dulden. Es ist ein böses Leiden und dabei ein reizender Zeitverderb, in seiner Nähe arbeitende Handwerker zu haben. Ich wünsche daß auch diese Ereignisse Sie nicht allzusehr zerstreuen mögen.

Ich suche so viel als möglich aufzuräumen, um mir ein paar ganz freie Wochen zu verdienen, und wo möglich die Stimmung zum Schluß meines Gedichts zu finden. Von der übrigen lieben deutschen Literatur habe ich rein Abschied genommen. Fast bei allen Urtheilen waltet nur der gute oder der böse Wille gegen die Person, und die Fratze des Parteigeists ist mir mehr zuwider als irgend eine andere Carricatur.

Seitdem die Hoffnung das gelobte, obgleich jetzt sehr mißhandelte, Land zu sehen bei mir wieder aufgelebt, bin ich mit aller Welt Freund und mehr als jemals überzeugt: daß man im Theoretischen und Praktischen, und besonders in unserm Falle im Wissenschaftlichen und Dichterischen, immer mehr mit sich selbst Eins zu werden und Eins zu bleiben suchen müsse. Übrigens mag alles gehen wie es kann.

Lassen Sie uns, so lange wir beisammen bleiben, auch unsere Zweiheit immer mehr in Einklang bringen, damit selbst eine längere Entfernung unserm Verhältniß nichts anhaben könne.

Den Schluß des Cellini will ich in Jena gleich zum Anfange vornehmen; vielleicht findet sich auch sonst noch etwas und vielleicht wird Moses durch die Unterhaltung wieder lebendig. Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und genießen der freien Luft, die Ihnen doch früh oder spät gute Stimmung gewähren wird.

G.

H 316 | S 316 | B 316

315. An Goethe

Jena, den 16. Mai 1797

Es ist recht schön, daß Sie Ihr Gedicht, das hier angefangen wurde auch hier vollenden. Die Judenstadt darf sich was darauf einbilden. Ich freue mich schon im Voraus, nicht auf das Gedicht allein, auch auf die schöne Stimmung, in welche die Dichtung und die Vollendung Sie versetzen wird.

Dadurch, daß Sie eine Woche später kommen, entgehen Sie einem großen Schmutz in meinem Hause, denn ich habe mich doch entschließen müssen, die Gartenseite des Hauses zu unterschwellen, welches heute angefangen worden. Bis jetzt hat mir eigentlich bloß die Neuheit dieser Existenz den Aufenthalt im Garten reizend machen können, denn entweder war das Wetter nicht freundlich oder das Bauwesen raubte mir die Ruhe. Es bekommt mir aber übrigens sehr wohl hier, und an die Arbeit gewöhn‘ ich mich auch wieder.

Haben Sie nun die Schlegelische Kritik von Schlossern gelesen? Sie ist zwar in ihrem Grundbegriff nicht unwahr, aber man sieht ihr doch die böse Absicht und die Partei viel zu sehr an. Es wird doch zu arg mit diesem Herrn Friedrich Schlegel. So hat er kürzlich dem Alexander Humboldt erzählt, daß er die Agnes, im Journal Deutschland, recensirt habe und zwar sehr hart. Jetzt aber da er höre sie sey nicht von Ihnen, so bedaure er, daß er sie so streng behandelt habe. Der Laffe meinte also, er müsse dafür sorgen, daß Ihr Geschmack sich nicht verschlimmere. Und diese Unverschämtheit kann er mit einer solchen Unwissenheit und Oberflächlichkeit paaren daß er die Agnes wirklich für Ihr Werk hielt.

Das Geschwätz über die Xenien dauert noch immer fort; ich finde immer noch einen neune Büchertitel, worin ein Aufsatz oder so was gegen die Xenien angekündigt wird. Neulich fand ich in einem Journal: „Annalen der leidenden Menschheit“ einen Aufsatz gegen die Xenien.

Den Schluß des Cellini bitte nicht zu vergessen, und vielleicht fällt Ihnen beim Kramen in Ihren Papieren noch irgend etwas für die Horen oder für den Almanach in die Hände.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich auf’s beste.

Sch.

H 315 | S 315 | B 315

314. An Schiller

Weimar, den 13. Mai 1797

Noch etwa acht Tage habe ich hier zu thun, indem sich bis dahin manches entscheiden muß. Ich wünsche sehr wieder einige Zeit bei Ihnen zuzubringen, besonders bin ich jetzt leider wieder in einem Zustande von Unentschiedenheit in welchem ich nichts rechtes thun kann und mag.

Von Humboldt habe ich einen weitläufigen und freundschaftlichen Brief, mit einigen guten Anmerkungen über die ersten Gesänge, die er in Berlin nochmals gelesen hat. Auf den Montag schicke ich abermals viere fort und komme nach Jena um den letzten zu endigen. Auch mir kommt der Friede zu statten und mein Gedicht gewinnt dadurch eine reinere Einheit.

Ich wünsche Sie in Ihrem Garten recht vergnügt und thätig zu finden. Leben Sie recht wohl; ich kann in meiner heutigen Zerstreuung von dem vielen was ich zu sagen habe, nichts zu Papiere bringen.

G.

H 314 | S 314 | B 314

313. An Goethe

Jena, den 10. Mai 1797

Ich wurde gestern verhindert, Ihnen ein Wort zu sagen und hole es heute nach.

Auch mir hat Voß von Welttafeln geschrieben, die er Ihnen schicke; ich habe aber keine erhalten. Die Übersetzung aus Ovid, die er mitgeschickt, ist sehr vortrefflich, mit der Bestimmtheit und auch mit der Leichtigkeit des Meisters.

Schade nur, daß er sich durch die elenden Streitigkeiten abhalten läßt, hieher zu kommen. Daß er lieber bei seinem Reichardt in Gibichenstein liegt, als zu uns kommt, kann ich ihm doch kaum vergeben.

Ich bin neugierig, auf welche Art Sie seine Übersetzungsweise vertheidigen wollen, da hier der schlimme Fall ist, daß gerade das Vortreffliche daran studirt werden muß, und das Anstößige gleich auffällt.

Es sollte mir leid thun, wenn Sie Ihren Moses zurücklegten. Freilich ist es eine sonderbare Collision, in die er mit den italiänischen Dingen kommt, aber nach dem was Sie mir schon davon sagten, hätten Sie, däucht mir, wenig mehr zu thun, als ihn zu dictiren.

Ich freue mich auf Ihre Ankunft. Hier im Freien werden wir noch einmal so gut unsere Angelegenheiten durchsprechen können. Leben Sie recht wohl. Alles grüßt Sie auf’s beste.

Sch.

H 313 | S 313 | B 313

312. An Schiller

Weimar, den 6. Mai 1797

Ich bin sehr erfreut daß wir grade zur rechten Stunde den Aristoteles aufgeschlagen haben. Ein Buch wird doch immer erst gefunden, wenn es verstanden wird. Ich erinnere mich recht gut daß ich vor dreißig Jahren diese Übersetzung gelesen und doch auch von dem Sinne des Werks gar nichts begriffen habe. Ich hoffe mich bald mit Ihnen darüber weiter zu unterhalten. Das Exemplar ist nicht mein.

Voß hat mir einen sehr artigen Brief geschrieben und kündigt mir seine Arbeiten über die alte Geographie an, auf die ich sehr verlange.

Sowohl der Brief als das Couvert versprechen ein paar Homerische Charten, die ich aber nicht finde; vielleicht kommen sie mit den Ovidischen Verwandlungen.

In diesen Tagen, da ich mich seiner Homerischen Übersetzung wieder viel bediente, habe ich den großen Werth derselben wieder auf’s neue bewundern und verehren müssen. Es ist mir eine Tournure eingefallen, wie man ihm auf eine liberale Art könnte Gerechtigkeit wiederfahren lassen, wobei es nicht ohne Ärgerniß seiner saalbaderischen Widersacher abgehen sollte. Wir sprechen mündlich hierüber.

Daß wir den Ertrag von Lenzens Mumie auf die Charte von Palästina anwenden wollen, ist mir ganz recht. Doch will ich noch einen Augenblick inne halten, bis ich sehe ob auch mein Moses wirklich fertig wird. Bisher hatte ich mich von der Idee Italiens fast ganz los gemacht, jetzt, da die Hoffnung wieder lebendig wird, so sehe ich wie nöthig es ist meine Collectaneen wieder vorzunehmen, zu ordnen und zu schematisiren.

Den 15ten dieses denke ich wieder bei Ihnen zu sein und eine Zeitlang zu bleiben; heute bin ich von einer zerstreuten Woche noch ganz verstimmt. Leben Sie recht wohl und erfreuen sich der freien Luft und der Einsamkeit.

G.

H 312 | S 312 | B 312

311. An Goethe

Jena, den 5. Mai 1797

Ich bin mit dem Aristoteles sehr zufrieden, und nicht bloß mit ihm, auch mit mir selbst; es begegnet einem nicht oft, daß man nach Lesung eines solchen nüchternen Kopfs und kalten Gesetzgebers den innern Frieden nicht verliert. Der Aristoteles ist ein wahrer Höllenrichter für alle, die entweder an der äußern Form sclavisch hängen, oder die über alle Form sich hinwegsetzen. Jene muß er durch seine Liberalität und seinen Geist in beständige Widersprüche stürzen: denn es ist sichtbar, wie viel mehr ihm um das Wesen als um alle äußere Form zu thun ist; und diesen muß die Strenge fürchterlich seyn, womit er aus der Natur des Gedichts, und des Trauerspiels insbesondere, seine unverrückbare Form ableitet. Jetzt begreife ich erst den schlechten Zustand, in den er die französischen Ausleger und Poeten und Kritiker versetzt hat; auch haben sie sich immer vor ihm gefürchtet, wie die Jungen vor dem Stecken. Shakespear, so viel er gegen ihn wirklich sündigt, würde weit besser mit ihm ausgekommen sein, als die ganze französische Tragödie.

Indessen bin ich sehr froh, daß ich ihn nicht früher gelesen; ich hätte mich um ein großes Vergnügen und um alle Vortheile gebracht, die er mir jetzt leistet. Man muß über die Grundbegriffe schon recht klar sein, wenn man ihn mit Nutzen lesen will; kennt man die Sache die er abhandelt nicht schon vorläufig gut, so muß es gefährlich seyn, bei ihm Rath zu holen.

Ganz kann er aber sicherlich nie verstanden oder gewürdigt werden. Seine ganze Ansicht des Trauerspiels beruht auf empirischen Gründen: er hat eine Masse vorgestellter Tragödien vor Augen, die wir nicht mehr vor Augen haben; aus dieser Erfahrung heraus raisonnirt er, uns fehlt größtentheils die ganze Basis seines Urtheils. Nirgends beinahe geht er von dem Begriff, immer nur von dem Factum der Kunst und des Dichters und der Repräsentation aus; und wenn seine Urtheile, dem Hauptwesen nach, ächte Kunstgesetze sind, so haben wir dieses dem glücklichen Zufall zu danken, daß es damals Kunstwerke gab, die durch das Factum eine Idee realisirten, oder ihre Gattung in einem individuellen Falle vorstellig machten.

Wenn man eine Philosophie über die Dichtkunst, so wie sie jetzt einem neuern Ästhetiker mit Recht zugemuthet werden kann, bei ihm sucht, so wird man nicht nur getäuscht werden, sondern man wird auch über seine rhapsodische Manier und über die seltsame Durcheinanderwerfung der allgemeinen und der allerparticularsten Regeln, der logischen, prosodischen, rhetorischen und poetischen Sätze etc. lachen müssen, wie z.B. wenn er bis zu den Vocalen und Consonanten zurückgeht. Denkt man sich aber, daß er eine individuelle Tragödie vor sich hatte, und sich um alle Momente befragte die an ihr in Betrachtung kamen, so erklärt sich alles leicht, und man ist sehr zufrieden, daß man bei dieser Gelegenheit alle Elemente, aus welchen ein Dichterwerk zusammengesetzt wird, recapitulirt.

Ich wundere mich gar nicht darüber, daß er der Tragödie den Vorzug vor dem epischen Gedicht gibt: denn so wie er es meint, obgleich er sich nicht ganz unzweideutig ausdrückt, wird der eigentliche und objective poetische Werth der Epopöe nicht beeinträchtigt. Als Urtheiler und Ästhetiker muß er von derjenigen Kunstgattung am meisten satisfacirt seyn, welche in einer bleibenden Form ruht und über welche ein Urtheil kann abgeschlossen werden. Nun ist dieß offenbar der Fall bei dem Trauerspiel, so wie er es in Mustern vor sich hatte, indem das einfachere und bestimmtere Geschäft des dramatischen Dichters sich weit leichter begreifen und andeuten läßt, und eine vollkommenere Technik dem Verstande weist, eben des kürzern Studiums und der geringeren Breite wegen. Überdem sieht man deutlich, daß seine Vorliebe für die Tragödie von einer kläreren Einsicht in dieselbe herrührt, daß er von der Epopöe eigentlich nur die generisch-poetischen Gesetze kennt, die sie mit der Tragödie gemein hat, und nicht die specifischen, wodurch sie sich ihr entgegensetzt; deßwegen konnte er auch sagen, daß die Epopöe in der Tragödie enthalten sey, und daß einer, der diese zu beurtheilen wisse, auch über jene absprechen könne; denn das allgemein Pragmatisch-poetische der Epopöe ist freilich in der Tragödie enthalten.

Es sind viel scheinbare Widersprüche in dieser Abhandlung, die ihr aber in meinen Augen nur einen hohen Werth geben; denn sie bestätigen mir, daß das Ganze nur aus einzelnen Apperçus besteht und daß keine theoretischen vorgefaßten Begriffe dabei im Spiele sind; manches mag freilich auch dem Übersetzer zuzuschreiben seyn.

Ich freue mich, wenn Sie hier sind, diese Schrift mit Ihnen mehr im Einzelnen durchzusprechen.

Daß er bei der Tragödie das Hauptgewicht in die Verknüpfung der Begebenheiten legt, heißt recht den Nagel auf den Kopf getroffen.

Wie er die Poesie und die Geschichte mit einander vergleicht und jener eine größere Wahrheit als dieser zugesteht, das hat mich auch sehr von einem solchen Verstandesmenschen erfreut.

Es ist auch sehr artig wie er bemerkt, bei Gelegenheit dessen was er von den Meinungen sagt, daß die Alten ihre Personen mit mehr Politik, die Neuen mit mehr Rhetorik haben sprechen lassen.

Es ist gleichfalls recht gescheidt, was er zum Vortheil wahrer historischer Namen bei dramatischen Personen sagt.

Daß er den Euripides so sehr begünstigte, wie man ihm sonst Schuld gibt, habe ich ganz und gar nicht gefunden. Überhaupt finde ich, nachdem ich diese Poetik nun selbst gelesen, wie ungeheuer man ihn mißverstanden hat.

Ich lege Ihnen hier einen Brief von Voß bei, der eben an mich in Einschluß gekommen ist. Er sendet mir auch eine hexametrische Übersetzung von Ovids Phaethon für die Horen, die mir bei meiner großen Detresse sehr gelegen kommt. Er selbst wird auf seiner Reise Weimar und Jena nicht besuchen.

Was die Charte zum Moses betrifft, so wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, den Lenzischen Aufsatz, den ich in das fünfte Horenstück einrücken lasse, dazu bestimmen, daß die Ausgabe für jene Charte davon bestritten wird. Ich habe Cotta versprochen, daß ihn kein Bogen mehr als vier Louisdor kosten solle; sonst hätte er die Horen nicht gut fortsetzen können. Auf diese Art aber macht er sich sehr gut. Sorgen Sie nur, daß wir den Moses und auch das Kupfer bald können abdrucken lassen.

Gehört der Aristoteles Ihnen selbst? Wenn das nicht ist, so will ich ihn mir gleich kommen lassen, denn ich möchte mich nicht gern sobald davon trennen.

Hier neue Horen. Auch folgt der Don Juan mit Dank zurück. Ich glaube wohl das Sujet wird sich ganz gut zu einer Ballade qualificiren.

Leben Sie recht wohl. Ich habe mich an die neue Lebensart schon ganz gewöhnt und bringe in Wind und Regen, manche Stunde mit Spazierengehen im Garten zu, und befinde mich sehr wohl dabei.

Sch.

H 311 | S 311 | B 311

310. An Schiller

Weimar, den 3. Mai 1797

Gestern habe ich angefangen an meinem Moses zu dictiren. Güssefeld verlangt für eine Charte in klein Folio zu zeichnen vier Louisd’or und will den Stich derselben für etwa zwei Carolin in Nürnberg besorgen. Glauben Sie daß der Spaß die Auslage werth sey, so will ich gleich Anstalt machen, es gehen doch immer ein paar Monate hin bis die Charte fertig wird. Mein Aufsatz kann recht artig werden, um so mehr als in der neuern Zeit die Theologen selbst die Bibelchronologie öffentlich verdächtig machen und überall eingeschobene Jahre zu Ausgleichung gewisser Cyklen vermuthen.

Hier schicke ich den Aristoteles, wünsche viel Freude daran und sage für heute nichts weiter.

G.

Auch schicke ich den zweiten Theil des Vieilleville und den verlangten Don Juan. Der Gedanke, eine Romanze aus diesem zu machen, ist sehr glücklich. Die allgemein bekannte Fabel, durch eine poetische Behandlung, wie sie Ihnen zu Gebote steht, in ein neues Licht gestellt, wird guten Effect machen.

Ich wünsche Glück zur neuen Wohnung und werde eilen Sie sobald als möglich darin zu besuchen.

G.

[Bei H ist der Nachsatz ein eigener Brief.]

H 309, 310 | S 310 | B 310

309. An Goethe

Jena, den 2. Mai 1797

Ich begrüße Sie aus meinem Garten, in den ich heute eingezogen bin. Eine schöne Landschaft umgibt mich, die Sonne geht freundlich unter und die Nachtigallen schlagen. Alles um mich herum erheitert mich, und mein erster Abend auf dem eigenen Grund und Boden ist von der fröhlichsten Vorbedeutung.

Dieß ist aber auch alles was ich Ihnen heute schreiben kann, denn über den Arrangements ist mir der Kopf ganz wüste geworden. Morgen hoffe ich endlich mit rechter Lust wieder an die Arbeit zu gehen und dabei zu beharren.

Wenn Sie mir den Text von Don Juan auf einige Tage schicken wollten, werden Sie mir einen Gefallen erweisen. Ich habe die Idee, eine Ballade draus zu machen, und da ich das Mährchen nur vom Hörensagen kenne, so möchte ich doch wissen, wie es behandelt ist.

Leben Sie recht wohl. Herzlich freue ich mich drauf, bald wieder eine Zeit lang mit Ihnen zu verleben.

Sch.

H 308 | S 309 | B 309