Jena, den 21. Juli 1797
Ich kann nie von Ihnen gehen, ohne daß etwas in mir gepflanzt worden wäre, und es freut mich, wenn ich für das Viele was Sie mir geben, Sie und Ihren innern Reichthum in Bewegung setzen kann. Ein solches auf wechselseitige Perfectibilität gebautes Verhältniß muß immer frisch und lebendig bleiben, und gerade desto mehr an Mannigfaltigkeit gewinnen, je harmonischer es wird und je mehr die Entgegensetzung sich verliert, welche bei so vielen andern allein die Einförmigkeit verhindert. Ich darf hoffen, daß wir uns nach und nach in allem verstehen werden, wovon sich Rechenschaft geben läßt, und in demjenigen was seiner Natur nach nicht begriffen werden kann, werden wir uns durch die Empfindung nahe bleiben.
Die schönste und die fruchtbarste Art wie ich unsere wechselseitige Mittheilungen benutze und mir zu eigen mache, ist immer diese, daß ich sie unmittelbar auf die gegenwärtige Beschäftigung anwende, und gleich productiv gebrauche; und wie Sie in der Einleitung zum Laokoon sagen, daß in einem einzelnen Kunstwerk die Kunst ganz liege, so glaube ich muß man alles Allgemeine in der Kunst wieder in den besondersten Fall verwandeln, wenn die Realität der Idee sich bewähren soll. Und so, hoffe ich, soll mein Wallenstein und was ich künftig von Bedeutung hervorbringen mag, das ganze System desjenigen was bei unserm Commercio in meine Natur hat übergehen können, in concreto zeigen und enthalten.
Das Verlangen nach dieser Arbeit regt sich wieder stark in mir, denn es ist hier schon ein bestimmteres Object, was den Kräften ihre Thätigkeit anweist, und jeder Schritt ist hier schon bedeutender, statt daß ich bei neuen rohen Stoffen so oft leer greifen muß. Ich werde jetzt die Lieder zum Almanach zuerst fertig zu bringen suchen, weil mich die Componisten so sehr mahnen, dann mein Glück an den Kranichen versuchen und mit dem September zur Tragödie zurückkehren.
Die Nachrichten von Ihnen werden in die einfache Existenz, auf die ich jetzt eingeschränkt bin, einen fruchtbaren Wechsel bringen, und außer dem Neuen was Sie mir zuführen, auch das Alte was unter uns verhandelt worden, wieder in mir lebendig machen.
Und so leben Sie wohl und denken meiner bei unserm Freunde, so wie Sie uns immer gegenwärtig seyn werden. Meine Frau sagt Ihnen ein herzliches Lebewohl.
Den Chor aus Prometheus bitte nicht zu vergessen.
Sch.
H 346 | S 347 | B 347
Weimar, den 19. Juli 1797
Sie hätten mir zum Abschiede nichts Erfreulicheres und Heilsameres geben können als Ihren Aufenthalt der letzten acht Tage. Ich glaube mich nicht zu täuschen wenn ich dießmal unser Zusammenseyn wieder für sehr fruchtbar halte; es hat sich so manches für die Gegenwart entwickelt und für die Zukunft vorbereitet, daß ich mit mehr Zufriedenheit abreise, indem ich unterweges recht thätig zu seyn hoffe und bei meiner Rückkunft Ihrer Theilnehmung wieder entgegen sehe. Wenn wir so fortfahren verschiedene Arbeiten gleichzeitig durchzuführen, und indem wir die größeren sachte fortleiten, uns durch kleinere immer aufmuntern und unterhalten, so kann noch manches zu Stande kommen.
Hier ist der Polykrates zurück; ich wünsche daß die Kraniche mir bald nachziehen mögen. Auf den Sonnabend erfahren Sie das Nähere von meiner Abreise. Leben sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. An Schlegel habe ich heute geschrieben.
G.
H 345 | S 346 | B 346
Jena, den 10. Juli 1797
Sie haben mit wenig Worten und in einer kunstlosen Einkleidung herrliche Dinge in diesem Aufsatz ausgesprochen, und eine bewundernswürdige Klarheit über die schwere Materie verbreitet. In der That, der Aufsatz ist ein Muster, wie man Kunstwerke ansehen und beurtheilen soll; er ist aber auch ein Muster, wie man Grundsätze anwenden soll. In Rücksicht auf beides habe ich sehr viel draus gelernt.
Mündlich mehr darüber, denn ich denke ihn morgen selbst mitzubringen, wo ich, wenn nichts dazwischen kommt, nach drei Uhr bei Ihnen seyn werde. Im Fall ich nicht wohl bei Ihnen logiren könnte, bitte ich mir’s am Thor durch ein Zettelchen wissen zu lassen, daß ich bei meinem Schwager anfahre. Meine Frau kommt mit und wir denken bis Donnerstag zu bleiben.
Meyers glückliche Ankunft in seiner Vaterstadt und die schnelle Verbesserung seiner Gesundheit haben mich herzlich erfreut. Auch die Gewißheit, für diesen Herbst und Winter wenigstens nicht so gar weit von Ihnen getrennt zu seyn, ist mir sehr tröstlich.
Leben Sie recht wohl. Humboldt ersucht Sie, ihm seinen Äschylus, den er nothwendig brauche, blad möglichst nach Dresden zu schicken.
Sch.
H 344 | S 345 | B 345
Weimar, den 8. Juli 1797
Der Hirtische Aufsatz hat das große Verdienst daß er das Charakteristische so lebhaft einschärft, und bei seiner Erscheinung die Sache mit Gewalt zur Sprache bringen muß. Ich will ihn für die Horen zu erhalten suchen. Hier kommt auch der meinige, den ich Ihnen im Ganzen und im Einzelnen als einen flüchtigen Aufsatz zur Nachsicht empfehle. Ich verlange zu hören wie Sie mit der Methode und dem Sinne zufrieden sind, so wie ich Meyers Urtheile über die eigentliche Darstellung des Kunstwerks begierig zu hören bin. Man könnte über die vornehmsten Statuen des Alterthums und andere Kunstwerke diese Abhandlung ausbreiten und ich bin mit Ihnen überzeugt, daß man dem der im Felde der Tragödie arbeitet, sehr erwünscht entgegen kommen würde.
Da unser Freund Meyer wieder auf nordischem Grund und Boden gerettet ist, so seh’ ich manches Gute voraus. Heute sage ich nicht mehr. Leben Sei recht wohl und bringen Sie die Glocke glücklich zu Stande, so wie ich auch zu einigen Nadowessischen Liedern rathe. Wenn es möglich ist so kommen Sie doch nächste Woche; es wäre doch auch hübsch wenn Sie mit Hirt in ein näheres Verhältnis kämen und von ihm selbst seine architektonischen Deductionen hören könnten.
G.
H 343 | S 344 | B 344
Jena, den 7. Juli 1797
Es wäre, däucht mir, jetzt gerade der rechte Moment, daß die griechischen Kunstwerke von Seiten des Charakteristischen beleuchtet und durchgegangen würden: denn allgemein herrscht noch immer der Winkelmannische und Lessingische Begriff, und unsre allerneuesten Ästhetiker, sowohl über Poesie als Plastik, lassen sich’s recht sauer werden, das Schöne der Griechen von allem Charakteristischen zu befreien und dieses zum Merkzeichen des Modernen zu machen. Mir däucht, daß die neuern Analytiker durch ihre Bemühungen, den Begriff des Schönen abzusondern und in einer gewissen Reinheit aufzustellen, ihn beinah ausgehöhlt und in einen leeren Schall verwandelt haben, daß man in der Entgegensetzung des Schönen gegen das Richtige und Treffende, viel zu weit gegangen ist, und eine Absonderung, die bloß der Philosoph macht und die bloß von Einer Seite statthaft ist, viel zu grob genommen hat.
Viele, finde ich, fehlen wieder auf eine andere Art, daß sie den Begriff der Schönheit viel zu sehr auf den Inhalt der Kunstwerke als auf die Behandlung beziehen, und so müssen sie freilich verlegen seyn, wenn sie den Vaticanischen Apoll und ähnliche, durch ihren Inhalt schon schöne Gestalten, mit dem Laokoon, mit einem Faun oder andern peinlichen oder ignobeln Repräsentationen unter Einer Idee von Schönheit begreifen sollen.
Es ist, wie Sie wissen, mit der Poesie derselbe Fall. Wie hat man sich von jeher gequält und quält sich noch, die derbe, oft niedrige und häßliche Natur im Homer und in den Tragikern bei den Begriffen durchzubringen, die man sich von dem Griechischen Schönen gebildet hat. Möchte es doch einmal einer wagen, den Begriff und selbst das Wort Schönheit, an welches einmal alle jene falsche Begriffe unzertrennlich geknüpft sind, aus dem Umlauf zu bringen und, wie billig, die Wahrheit in ihrem vollständigsten Sinn an seine Stelle zu setzen.
Den Hirtischen Aufsatz hätte ich recht gern in den Horen. Sie und Meyer würden dann, wenn der Weg einmal offen ist, den Faden um so bequemer aufnehmen können und das Publicum auch schon mehr vorbereitet finden. Auch ich fände meine Rechnung dabei wenn diese Materie über das Charakteristische und Leidenschaftliche in den griechischen Kunstwerken recht zur Sprache käme, denn ich sehe voraus daß mich die Untersuchungen über das griechische Trauerspiel, die ich mir vorbehalten habe, auf den nämlichen Punkt führen werden. Ihren Aufsatz erwart’ ich mit Begierde.
Ich habe jetzt überlegt, daß der musikalische Theil des Almanachs vor allen Dingen fertig seyn muß, weil der Componist sonst nicht fertig wird. Deßwegen bin ich jetzt an mein Glockengießerlied gegangen, und studire seit gestern in Krünitzens Encyklopädie, wo ich sehr viel profitire. Dieses Gedicht liegt mir sehr am Herzen, es wird mir aber mehrere Wochen kosten, weil ich so vielerlei verschiedene Stimmungen dazu brauche und eine große Masse zu bearbeiten ist. Ich hätte auch nicht übel Lust, wenn Sie mir dazu rathen, noch vier oder fünf kleine Nadowessische Lieder nachfolgen zu lassen, um diese Natur, in die ich einmal hineingegangen, durch mehrere Zustände durchzuführen.
Aus meiner projectirten Reise nach Weimar hat diese Woche nichts werden wollen, doch denke ich sie in der nächsten Woche auszuführen. Der Prolog ist jetzt noch auf Reisen; sobald er zurückkommt, schicke ich oder bringe ich ihn selbst.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt Sie schönstens.
Sch.
H 342 | S 342 | B 342
Weimar, den 7. Juli 1797
Ich versäume nicht Ihnen sogleich das Briefchen zu schicken das ich so eben von Meyer erhalte. Es war mein sehnlichster und ich darf wohl sagen, in diesem Augenblick einziger Wunsch, ihn wieder in der Schweiz zu wissen, wo er sich das vorigemal so schön erholt hat, und sich dießmal gewiß auch wieder erholen wird.
Ich bereite mich nun zu meiner Abreise vor, damit ich nach der Ankunft des Herzogs gleich hinweggehen kann. Es wäre in hundert Betrachtungen sehr schön und gut, wenn Sie auf einige Tage herüber kommen könnten; ich würde Sie zwar auf alle Fälle noch einmal besuchen, aber das könnte doch nur auf einige Stunden seyn und wir hätten denn doch noch manches zu bereden. Morgen früh ein mehreres. Leben Sie recht wohl.
G.
H 341 | S 343 | B 343
Weimar, am 5. Juli 1797
Faust ist die Zeit zurückgelegt worden; die nordischen Phantome sind durch die südlichen Reminiscenzen auf einige Zeit zurückgedrängt worden; doch habe ich das Ganze als Schema und Übersicht sehr umständlich durchgeführt.
Es ist mir sehr lieb daß Sie unsern alten römischen Freund haben persönlich kennen lernen, Sie werden ihn und seine Arbeiten künftig besser verstehen. Man sieht auch bei ihm was bei einem verständigen Menschen eine reiche, beinahe vollständige, Empirie für Gutes hervorbringt. Darin urtheilen Sie über ihn ganz recht, daß seine logischen Operationen sehr gut von statten gehen, wenn die Prämissen richtig sind; er kommt aber oft in den Fall daß er, wo nicht falsche, doch beschränkte und einseitige Prämissen als allgemeine voraussetzt, da es denn mit dem Schließen nur eine Zeit lang gut geht. So entspringt seine Abneigung gegen Michel Angelo auch aus einer fixen unhaltbaren Idee; so hat er in dem Aufsatz über Laokoon, den ich hier beilege, gar vielfach recht und doch fällt er im Ganzen zu kurz, da er nicht einsieht daß Lessing’s, Winkelmann’s und seine, ja noch mehrere Enunciationen zusammen, erst die Kunst begrenzen. Indessen ist es recht gut, wie er auf’s Charakteristische und Pathetische auch in den bildenden Künsten dringt.
Ich habe bei dieser Gelegenheit mich eines Aufsatzes erinnert, den ich vor mehreren Jahren schrieb, und habe, da ich ihn nicht finden konnte, das Material, dessen ich noch wohl eingedenk bin, nach meiner, und ich darf wohl sagen, unserer jetzigen Überzeugung zusammengestellt. Vielleicht kann ich es Sonnabend überschicken. Der Hirtische Aufsatz ist eine gute Vorbereitung dazu, da er die neueste Veranlassung gegeben hat. Vielleicht gibt dieses, besonders wenn Meyer mit seinen Schätzen zurückkommt, Anlaß zu mehrerem, sowie ich doch auch gelegentlich wieder an die Peterskirche gehen werde, weil auch diese Abhandlung als Base von so manchem Andern betrachtet werden kann.
Das Todtenlied, das hier zurückkommt, hat seinen ächten realistisch-humoristischen Charakter, der wilden Naturen, in solchen Fällen, so wohl ansteht. Es ist ein großes Verdienst der Poesie uns auch in diese Stimmungen zu versetzen, so wie es verdienstlich ist, den Kreis der poetischen Gegenstände immer zu erweitern. Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und gebrauchen und genießen der Zeit so viel und so gut als möglich ist.
Von Meyer habe ich noch nichts vernommen.
G.
Wollten Sie mir doch eine Abschrift der Wallensteiner schicken? Ich habe sie unsrer Herzogin versprochen, die sich schon manchmal mit Interesse nach Ihrer Arbeit erkundigt hat.
H 340 | S 341 | B 341
Jena, den 4. Juli 1797
Hirt hat mich in diesen drei Tagen recht interessant beschäftigt und mir manches zurückgelassen, worüber ich noch lange zu denken haben werde. Seine Urtheile, wenn sie auch etwas befangen sind, ruhen auf einer vielfältigen und fortgesetzten Anschauung, und sprechen in wenig Worten fruchtbare Resultate einer lebendigen Beobachtung und eines gründlichen Studiums aus. Mir däucht, daß er in der Hauptsache mit Ihnen und Meyern ziemlich einig ist, wenigstens kann man lange mit ihm über das Tiefste und Innerste sprechen, ohne auf eine Dissonanz zu stoßen oder sich unverständlich zu seyn. Ich hätte gewünscht, der dritte Mann zu seyn, wenn Sie sich mit ihm über diese Gegenstände unterhalten, weil ich ein Gespräch über bildende Kunst aus eignem Mittel nicht lange unterhalten, wohl aber mit Nutzen zuhören kann.
Gegen Michel Ange ist er sehr eingenommen, und mir däucht, daß er ihn viel zu tief herabsetzt, wenn er ihm bloß einen Zeitwerth zugesteht. Indessen habe ich auch bei dem harten Urtheil über Michel Ange sein Raisonnement sehr verständig gefunden, und zweifle bloß an der richtigen Angabe des Factums worauf er es gründet.
Übrigens weiß ich noch nicht recht, was ich von Hirten eigentlich denken soll und ob er bei einer längern Bekanntschaft die Probe halten würde. Vielleicht ist ihm manches nicht eigen, wodurch er jetzt in der That imponirt, wenigstens scheint mir die Wärme und Lebhaftigkeit, mit der er manches darzustellen wußte, nicht so eigentlich in seiner Natur zu liegen.
Lassen Sie sich doch von ihm etwas vom Maler Müller erzählen, wenn es noch nicht geschehen ist. Es ist kurzweilig genug, wie der Aufsatz in den Horen gegen Fernow entstanden ist.
Ich wünsche morgen von Ihnen zu hören daß der Faust vorgerückt ist. Mir hat Hirt’s Anwesenheit in diesen Tagen eine kleine Zerstreuung gemacht, nur der Einfall mit dem nordamericanischen Lied ist ausgeführt worden; ich lege das Liedchen bei, das der Veränderung wegen mit passiren mag.
Hier folgt der Bücherzettel, nebst einem Brief von Humboldt. Die Bücher werden Sie durch meinen Schwager erhalten, dem ich heut ein Paket sende.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 339 | S 340 | B 340
Weimar, den 1. Juli 1797
Ich will Ihnen nur auch gestehen daß mir etwas von Ihrer Art und Weise aus den Gedichten entgegensprach, eine ähnliche Richtung ist wohl nicht zu verkennen; allein sie haben weder die Fülle, noch die Stärke, noch die Tiefe Ihrer Arbeiten. Indessen recommandirt diese Gedichte, wie ich schon gesagt habe, eine gewisse Lieblichkeit, Innigkeit und Mäßigkeit, und der Verfasser verdient wohl, besonders da Sie frühere Verhältnisse zu ihm haben, daß Sie das Mögliche thun, um ihn zu lenken und zu leiten.
Unsere Frauen sollen gelobt werden, wenn sie so fortfahren, durch Betrachtung und Übung sich auszubilden. Am Ende haben die neuern Künstler sämmtlich keinen andern Weg. Keine Theorie giebt’s, wenigstens keine allgemein verständliche, keine entschiedenen Muster sind da, welche ganze Genres repräsentirten, und so muß denn jeder durch Theilnahme und Anähnlichung und viele Übung sein armes Subject ausbilden.
Hofrath Hirt ist hier; er ist mir auf manche Weise eine fremde Erscheinung. Die Monumente der alten und neuen Kunst des herrlichen Landes, die er noch unverrückt verließ, sind ihm sehr lebhaft gegenwärtig und er weiß, als ein Mann von Verstande, eine vollständige Empirie recht gut zu ordnen und zu schätzen, wie er z. E. in der Baukunst, die eigentlich sein Fach ist, recht gut urtheilt. Die bekannte Idee der gleichsam symbolischen Übertragung der vollendeten Holzbau-Construciton auf den Bau mit Steinen, weiß er sehr gut durchzuführen und die Zweckmäßigkeit der Theile sowohl zum Gebrauch als zur Schönheit herzuleiten. In den übrigen Künsten hat er auch eine ausgebreitete Erfahrung; aber freilich bei eigentlich ästhetischen Urtheilen steht er noch auf dem Puncte wo wir ihn ehemals verließen, und in Absicht auf antiquarische Kenntnisse kann er neben Böttiger nicht bestehen, weil er weder die Breite noch die Gewandtheit hat. Im Ganzen ist mir seine Gegenwart sehr angenehm, weil sein Streben zugleich lebhaft und behaglich und ernsthaft ist ohne lästig zu seyn. Er hat zu seinen architektonischen Demonstrationen sehr viel Blätter zeichnen lassen, wo das Gute und Fehlerhafte recht verständig neben einander gestellt ist.
Nach dem neuen Mitarbeiter so wie nach Carver will ich mich erkundigen.
Hier liegt ein Blatt wegen der andern Bücher bei, das ich zu unterzeichnen und die paar andern mir zurückzuschicken bitte.
Meinen Faust habe ich, in Absicht auf Schema und Übersicht, in der Geschwindigkeit recht vorgeschoben, doch hat die deutliche Baukunst die Luftphantome bald wieder verscheucht. Es käme jetzt nur auf einen ruhigen Monat an, so sollte das Werk zu männiglicher Verwunderung und Entsetzen, wie eine große Schwammfamilie aus der Erde wachsen. Sollte aus meiner Reise nichts werden, so habe ich auf diese Possen mein einziges Vertrauen gesetzt. Ich lasse jetzt das Gedruckte wieder abschreiben und zwar in seine Theile getrennt, da denn das neue desto besser mit dem alten zusammen wachsen kann.
Von Meyer habe ich die Zeit nichts wieder gehört. Von meinem Gedichte sind sieben Bogen angekommen, welche fünf Gesänge und die Hälfte des sechsten enthalten. Leben Sei recht wohl und gedenken Sie mein.
G.
H 338 | S 339 | B 339
Jena, den 30. Juni 1797
Es freut mich, daß Sie meinem Freunde und Schutzbefohlenen nicht ganz ungünstig sind. Das Tadelnswürdige an seiner Arbeit ist mir sehr lebhaft aufgefallen, aber ich wußte nicht recht, ob das Gute auch Stich halten würde, das ich darin zu bemerken glaubte. Aufrichtig, ich fand in diesen Gedichten viel von meiner eigenen sonstigen Gestalt, und es ist nicht das erstemal, daß mich der Verfasser an mich mahnte. Er hat eine heftige Subjectivität, und verbindet damit einen gewissen philosophischen Geist und Tiefsinn. Sein Zustand ist gefährlich, da solchen Naturen so gar schwer beizukommen ist. Indessen finde ich in diesen neuen Stücken doch den Anfang einer gewissen Verbesserung, wenn ich sie gegen seine vormaligen Arbeiten halte: denn kurz, es ist Hölderlin, den Sie vor etlichen Jahren bei mir gesehen haben. Ich würde ihn nicht aufgeben, wenn ich nur eine Möglichkeit wüßte, ihn aus seiner eigenen Gesellschaft zu bringen, und einem wohlthätigen und fortdauernden Einfluß von außen zu öffnen. Er lebt jetzt als Hofmeister in einem Kaufmannshause zu Frankfurt, und ist also in Sachen des Geschmacks und der Poesie blos auf sich selber eingeschränkt, und wird in dieser Lage immer mehr in sich selbst hineingetrieben.
Für die Horen hat mir unsere Dichterin Mereau jetzt ein sehr angenehmes Geschenk gemacht, und das mich wirklich überraschte. Es ist der Anfang eines Romans in Briefen, die mit weit mehr Klarheit, Leichtigkeit und Simplicität geschrieben sind, als ich je von ihr erwartet hätte. Sie fängt darin an, sich von Fehlern frei zu machen, die ich an ihr für ganz unheilbar hielt, und wenn sie auf diesem guten Wege weiter fortgeht, so erleben wir noch was an ihr. Ich muß mich doch wirklich drüber wundern, wie unsere Weiber jetzt, auf bloß dilettantischem Wege, eine gewisse Schreibgeschicklichkeit sich zu verschaffen wissen, die der Kunst nahe kommt.
Kennen Sie etwa einen gewissen Ahlwardt, Rector in Anklam, durch Übersetzungen des Callimachus? Er hat sich zu den Horen angeboten und beruft sich auf Voß, der ihn an mich gewiesen. Er übersetzt aus alten und neuen Sprachen, und auch im Merkur 1795 soll mehreres aus Euripides, Ovid und auch aus Camoens von ihm stehen. Wenn Sie Böttiger sehen, so seyen Sie doch so gütig, ihn nach diesem Subject zu fragen, und uns jene Merkurstücke durch ihn zu verschaffen. Er bietet mir Hero und Leander, und einige Übersetzungen aus dem Englischen an, und es wäre mir lieb wenn ich ihn brauchen könnte.
Ich wünschte daß die zwei leidlich-heitern Tage, die wir wieder genossen haben, bei Ihnen fruchtbarer gewesen seyn möchten als bei mir. Meine Krämpfe regten sich seit einigen Tagen wieder stärker, und ließen mich nicht schlafen. Ich wollte an den Faust denken, aber der Teufel in Natura wollte den poetischen nicht aufkommen lassen.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
Ich habe einige Reminiscenzen aus einer Reise durch Nordamerika von Thomas Carver, und mir ist, als wenn sich diese Völkernatur in einem Lied artig darstellen ließe. Dazu müßte ich aber jenen Carver noch einmal ansehen. Ich hatte ihn von Knebeln, der aber, wie ich höre, fort ist. Vielleicht hat ihn Voigt, der mit Reisebeschreibungen reichlich versehen ist, und mir ihn wohl auf einen Botentag leiht.
H 337 | S 338 | B 338
Weimar, den 28. Juni 1797
Den beiden mir überschickten Gedichten, die hier zurückkommen, bin ich nicht ganz ungünstig und sie werden im Publico gewiß Freunde finden. Freilich ist die afrikanische Wüste und der Nordpol weder durch sinnliches noch durch inneres Anschauen gemalt, vielmehr sind sie beide durch Negationen dargestellt, da sie denn nicht, wie die Absicht doch ist, mit dem heiteren deutsch-lieblichen Bilde genugsam contrastiren. So sieht auch das andere Gedicht mehr naturhistorisch als poetisch aus, und erinnert einen an die Gemälde wo sich die Thiere alle um Adam im Paradiese versammeln. Beide Gedichte drücken ein sanftes, in Genügsamkeit sich auflösendes Streben aus. der Dichter hat einen heitern Blick über die Natur, mit der er doch nur durch Überlieferung bekannt zu seyn scheint. Einige lebhafte Bilder überraschen, ob ich gleich den quellenden Wald, als negirendes Bild gegen die Wüste, nicht gern stehen sehe. In einzelnen Ausdrücken wie im Versmaß wäre noch hie und da einiges zu thun.
Ehe man mehreres von dem Verfasser gesehen hätte, daß man wüßte ob er noch andere Moyens und Talent in andern Versarten hat, wüßte ich nicht was ihm zu rathen wäre. Ich möchte sagen in beiden Gedichten sind gute Ingredienzien zu einem Dichter, die aber allein keinen Dichter machen. Vielleicht thäte er am besten, wenn er einmal ein ganz einfaches idyllisches Factum wählte und es darstellte, so könnte man eher sehen wie es ihm mit der Menschenmalerei gelänge, worauf doch am Ende alles ankommt. Ich sollte denken der Äther würde nicht übel im Almanach und der Wanderer gelegentlich ganz gut in den Horen stehen.
Der Ring, den ich hier wieder zurückschicke, hält sich bei wiederholtem Lesen sehr gut, er wird vielmehr besser, wie es jedes Gedicht von Werth thun muß, indem es uns in die Stimmung nöthigt die wir bei’m ersten Hören und Lesen nicht gleich mitbringen.
Leben Sie wohl bei diesem regnerischen, nicht allein den Gartenbewohnern sondern auch der Heuernte feindseligen Wetter.
G.
Für die Schwämme danke schönstens.
H 336 | S 337 | B 337
Jena, den 27. Juni 1797
Ich lege hier zwei Gedichte bei, die gestern für den Almanach eingeschickt worden sind. Sehen Sie sie doch an, und sagen mir in ein paar Worten, wie Ihnen die Arbeit vorkommt, und was Sie sich von dem Verfasser versprechen. Über Producte in dieser Manier habe ich kein reines Urtheil, und ich wünschte gerade in diesem Fall recht klar zu sehen, weil mein Rath und Wink auf den Verfasser Einfluss haben wird.
Leben Sie recht wohl. Es ist hier unfreundlich und regnet, auch hat der heutige Tag nicht viel geboren.
Sch.
H 335| S 336 | B 336
Weimar, 27. Juni 1797
Der Ring des Polykrates ist sehr gut dargestellt. Der königliche Freund, vor dessen, wie vor des Zuhörers Augen alles geschieht, und der Schluß, der die Erfüllung in Suspenso läßt, alles ist sehr gut. Ich wünsche daß mir mein Gegenstück eben so gerathen möge! Ihre Bemerkungen zu Faust waren mir sehr erfreulich, sie treffen, wie es natürlich war, mit meinen Vorsätzen und Planen recht gut zusammen, nur daß ich mir’s bei dieser barbarischen Composition bequemer mache und die höchsten Forderungen mehr zu berühren als zu erfüllen denke. So werden wohl Verstand und Vernunft, wie zwei Klopffechter, sich grimmig herumschlagen, um Abends zusammen freundschaftlich auszuruhen. Ich werde sorgen daß die Theile anmuthig und unterhaltend sind, und etwas denken lassen; bei dem Ganzen, das immer ein Fragment bleiben wird, mag mir die neue Theorie des epischen Gedichts zu statten kommen.
Das Barometer ist in steter Bewegung; wir können uns in dieser Jahrszeit keine beständige Witterung versprechen. Man empfindet diese Unbequemlichkeit nicht eher als bis man Anforderungen an eine reine Existenz in freier Luft macht; der Herbst ist immer unsere beste Zeit.
Leben Sie recht wohl und fahren Sie fleißig fort Ihren Almanach auszustatten. Da ich durch meinen Faust bei dem Reimwesen gehalten werde, so werde ich gewiß auch noch einiges liefern. Es scheint mir jetzt auch ausgemacht daß meine Tiger und Löwen in diese Form gehören; ich fürchte nur fast daß das eigentlich Interessante des Sujets sich zuletzt gar in eine Ballade auflösen möchte. Wir wollen abwarten an welches Ufer der Genius das Schifflein treibt.
Den Ring schicke ich Mittwochs mit den Botenweibern.
G.
H 334 | S 335 | B 335
Jena, den 26. Juni 1797
Wenn ich Sie neulich recht verstanden habe, so haben Sie die Idee, Ihr neues episches Gedicht, die Jagd, in Reimen und Strophen zu behandeln. Ich vergaß neulich, ein Wort darüber zu sagen, aber diese Idee leuchtet mir ein, und ich glaube sogar, daß dieß die Bedingung seyn wird, unter welcher allein dieses neue Gedicht neben Ihrem Hermann bestehen kann. Außerdem daß selbst der Gedanke des Gedichts zur modernen Dichtkunst geeignet ist und also auch die beliebte Strophenform begünstigt, so schließt die neue metrische Form schon die Concurrenz und Vergleichung aus; sie giebt dem Leser eben sowohl als dem Dichter eine ganz andere Stimmung, es ist ein Concert auf einem ganz andern Instrument. Zugleich participirt es alsdann von gewissen Rechten des romantischen Gedichts, ohne daß es eigentlich eines wäre; es darf sich wo nicht des Wunderbaren, doch des Seltsamen und Überraschenden mehr bedienen, und die Löwen- und Tigergeschichte, die mir immer außerordentlich vorkam, erweckt dann gar kein Befremden mehr. Auch ist von den fürstlichen Personen und Jägern nur ein leichter Schritt zu den Ritterfiguren, und überhaupt knüpft sich der vornehme Stand, mit dem Sie es in diesem Gedicht zu thun haben, an etwas Nordisches und Feudalisches an. Die griechische Welt, an die der Hexameter unausbleiblich erinnert, nimmt diesen Stoff daher weniger an, und die mittlere und neue Welt, also auch die moderne Poesie, kann ihn mit Recht reclamiren.
Den Faust habe ich nun wieder gelesen und mir schwindelt ordentlich vor der Auflösung. Dieß ist indeß sehr natürlich, denn die Sache beruht auf einer Anschauung, und so lang man die nicht hat, muß ein selbst nicht so reicher Stoff den Verstand in Verlegenheit setzen. Was mich daran ängstigt ist, daß mir der Faust seiner Anlage nach auch eine Totalität der Materie nach zu erfordern scheint, wenn am Ende die Idee ausgeführt erscheinen soll, und für eine so hoch aufquellende Masse finde ich keinen poetischen Reif der sie zusammenhält. Nun, Sie werden sich schon zu helfen wissen.
Zum Beispiel: es gehörte sich, meines Bedünkens, daß der Faust in das handelnde Leben geführt würde, und welches Stück Sie auch aus dieser Masse erwählen, so scheint es mir immer durch seine Natur eine zu große Umständlichkeit und Breite zu erfordern.
In Rücksicht auf die Behandlung finde ich die große Schwierigkeit, zwischen dem Spaß und dem Ernst glücklich durchzukommen; Verstand und Vernunft scheinen mir in diesem Stoff auf Tod und Leben miteinander zu ringen. Bei der jetzigen fragmentarischen Gestalt des Faust’s fühlt man dieses sehr, aber man verweist die Erwartung auf das entwickelte Ganze. Der Teufel behält durch seinen Realism vor dem Verstand, und der Faust vor dem Herzen Recht. Zuweilen aber scheinen sie ihre Rollen zu tauschen und der Teufel nimmt die Vernunft gegen den Faust in Schutz.
Eine Schwierigkeit finde ich auch darin, daß der Teufel durch seinen Charakter, der realistisch ist, seine Existenz, die idealistisch ist, aufhebt. Die Vernunft nur kann ihn glauben, und der Verstand nur kann ihn so, wie er da ist, gelten lassen und begreifen.
Ich bin überhaupt sehr erwartend, wie die Volksfabel sich dem philosophischen Theil des Ganzen anschmiegen wird.
Hier sende ich meine Ballade. Es ist ein Gegenstück zu Ihren Kranichen. Schreiben Sie mir doch, wie es um’s Barometer steht; ich wünschte zu wissen, ob wir endlich dauerhaftes Wetter hoffen können. Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 333 | S 334 | B 334
Weimar, den 24. Juni 1797
Dank für Ihre ersten Worte über den wieder auflebenden Faust. Wir werden wohl in der Ansicht dieses Werkes nicht variiren, doch giebt’s gleich einen ganz andern Muth zur Arbeit, wenn man seine Gedanken und Vorsätze auch von außen bezeichnet sieht, und Ihre Theilnahme ist in mehr als Einem Sinne fruchtbar.
Daß ich jetzt dieses Werk angegriffen habe ist eigentlich eine Klugheitssache: denn da ich bei Meyer’s Gesundheitsumständen noch immer erwarten muß einen nordischen Winter zuzubringen, so mag ich durch Unmuth über fehlgeschlagene Hoffnung, weder mir noch meinen Freunden lästig seyn, und bereite mir einen Rückzug in diese Symbol-, Ideen- und Nebelwelt mit Lust und Liebe vor.
Ich werde nur vorerst die großen erfundenen und halb bearbeiteten Massen zu enden und mit dem was gedruckt ist zusammen zu stellen suchen, und das so lange treiben bis sich der Kreis selbst erschöpft.
Leben Sie recht wohl; fahren Sie fort mir etwas über Gegenstand und Behandlung zu sagen und schicken Sie mir die Ballade ja.
G.
H 332 | S 333 | B 333
Jena, den 23. Juni 1797
Ihr Entschluß an den Faust zu gehen ist mir in der That überraschend, besonders jetzt, da Sie sich zu einer Reise nach Italien gürten. Aber ich hab’ es einmal für immer aufgegeben, Sie mit der gewöhnlichen Logik zu messen, und bin also im voraus überzeugt, daß Ihr Genius sich vollkommen gut aus der Sache ziehen wird.
Ihre Aufforderung an mich, Ihnen meine Erwartungen und Desideria mitzutheilen, ist nicht leicht zu erfüllen; aber so viel ich kann, will ich Ihren Faden aufzufinden suchen, und wenn auch das nicht geht, so will ich mir einbilden, als ob ich die Fragmente von Faust zufällig fände und solche auszuführen hätte. So viel bemerke ich hier nur, daß der Faust, das Stück nämlich, bei aller seiner dichterischen Individualität die Forderung an eine symbolische Bedeutsamkeit nicht ganz von sich weisen kann, wie auch wahrscheinlich Ihre eigene Idee ist. Die Duplicität der menschlichen Natur und das verunglückte Bestreben das Göttliche und das Physische im Menschen zu vereinigen, verliert man nicht aus den Augen; und weil die Fabel in’s Grelle und Formlose geht und gehen muß, so will man nicht bei dem Gegenstand stille stehen, sondern von ihm zu Ideen geleitet werden. Kurz, die Anforderungen an den Faust sind zugleich philosophisch und poetisch, und Sie mögen sich wenden wie Sie wollen, so wird Ihnen die Natur des Gegenstandes eine philosophische Behandlung auflegen, und die Einbildungskraft wird sich zum Dienst einer Vernunftidee bequemen müssen.
Aber ich sage Ihnen damit schwerlich etwas Neues, denn Sie haben diese Forderung in dem was bereits da ist, schon in hohem Grade zu befriedigen angefangen.
Wenn Sie jetzt wirklich an den Faust gehen, so zweifle ich auch nicht mehr an seiner völligen Ausführung, welches mich sehr erfreut.
Meine Frau, die mir Ihren Brief bringt, und eben von ihrer kleinen Reise mit dem Herrn Carl zurückkommt, verhindert mich heute mehr zu schreiben. Montag denke ich Ihnen eine neue Ballade zu senden; es ist jetzt eine ergiebige Zeit zur Darstellung von Ideen. Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 331 | S 332 | B 332
Weimar, den 22. Juni 1797
Da es höchst nöthig ist daß ich mir, in meinem jetzigen unruhigen Zustande, etwas zu thun gebe, so habe ich mich entschlossen an meinen Faust zu gehen und ihn, wo nicht zu vollenden, doch wenigstens um ein gutes Theil weiter zu bringen, indem ich das was gedruckt ist, wieder auflöse und, mit dem was schon fertig oder erfunden ist, in große Massen disponire, und so die Ausführung des Plans, der eigentlich nur eine Idee ist, näher vorbereite. Nun habe ich eben diese Idee und deren Darstellung wieder vorgenommen und bin mit mir selbst ziemlich einig. Nun wünschte ich aber daß Sie die Güte hätten die Sache einmal, in schlafloser Nacht, durchzudenken, mir die Forderungen die Sie an das Ganze machen würden, vorzulegen und so mir meine eigenen Träume, als ein wahrer Prophet, zu erzählen und zu deuten.
Da die verschiedenen Theile dieses Gedichts, in Absicht auf die Stimmung, verschieden behandelt werden können, wenn sie sich nur dem Geist und Ton des Ganzen subordiniren, da übrigens die ganze Arbeit subjectiv ist; so kann ich in einzelnen Momenten daran arbeiten, und so bin ich auch jetzt etwas zu leisten im Stande.
Unser Balladenstudium hat mich wieder auf diesen Dunst- und Nebelweg gebracht, und die Umstände rathen mir, in mehr als in Einem Sinne, eine Zeit lang darauf herum zu irren.
Das Interessante meines neuen epischen Plans geht vielleicht auch in einem solchen Reim- und Strophendunst in die Luft; wir wollen es noch ein wenig cohobiren lassen. Für heute leben Sie recht wohl! Carl war gestern in meinem Garten, ungeachtet des übeln Wetters, recht vergnügt. Ich hätte gern Ihre liebe Frau, wenn sie hier geblieben wäre, mit den Ihrigen heute Abend bei mir gesehen. Wenn Sie sich nur auch einmal wieder entschließen könnten die Jenaische Chaussee zu messen. Freilich wünschte ich Ihnen bessere Tage zu so einer Expedition.
G.
H 330 | S 331 | B 331
Weimar, den 21. Juni 1797
Bei dem heutigen Regenwetter mag es auf Ihrer Burg sehr einsam aussehen, doch ist eine weite Aussicht, wo Erde und Himmel so vielerlei Ansichten geben, mehr werth als man glaubt, wenn man sie täglich genießt. Ich wünsche bei dieser äußern Einschränkung guten Fortgang der Geschäfte.
Der Handschuh ist ein sehr glücklicher Gegenstand und die Ausführung gut gerathen; wir wollen ja dergleichen Gegenstände die uns auffallen künftig gleich benutzen. Hier ist die ganze reine That, ohne Zweck, oder vielmehr im umgekehrten Zweck, was so sonderbar wohlgefällt.
Ich habe diese Tage mancherlei angegriffen und nichts gethan. Die Geschichte der Peterskirche habe ich besser und vollständiger schematisirt und sowohl diese Arbeit als der Moses und andere werden schon nach und nach reif werden. Ich muß die jetzige Zeit, die nur ein zerstreutes Interesse bei der Ungewißheit in der ich schwebe, hervorbringt, so gut als es gehen will, benutzen, bis ich wieder auf eine Einheit hingeführt werden.
Den Chor aus Prometheus finde ich nicht, auch kann ich mich nicht erinnern daß ich ihn von Humboldt wieder erhalten habe, deswegen ich auch glaubte das Gedicht sey schon in Ihren Händen. Auf alle Fälle hat ihn Frau von Humboldt abgeschrieben und er wird also leicht von Dresden zu erhalten seyn.
Vorgestern habe ich Wieland besucht, der in einem sehr artigen, geräumigen und wohnhaft eingerichteten Hause, in der traurigsten Gegend von der Welt, lebt; der Weg dahin ist noch dazu meistentheils sehr schlimm. Ein Glück ist’s daß jedem nur sein eigner Zustand zu behagen braucht; ich wünsche daß dem guten Alten der seinige nie verleiden möge! Das Schlimmste ist wirklich, nach meiner Vorstellung, daß bei Regenwetter und kurzen Tagen an gar keine Communication mit andern Menschen zu denken ist.
Mein Zustand, der zwischen Nähe und Ferne, zwischen einer großen und kleine Expedition sich hin und wieder wiegt, hat in dem Augenblicke wenig Erfreuliches, und ich werde mich noch einige Wochen so hinhalten müssen. Bring’ ich den guten Meyer auf Michael wieder zurück, so soll unser Winterleben eine gute Wendung nehmen. Wir haben in den letzten vier Wochen theoretisch und praktisch wirklich wieder schöne Fortschritte gethan, und wenn meine Natur die Wirkung hat die Ihrige ins Begränzte zu ziehen, so habe ich durch Sie den Vortheil, daß ich auch wohl manchmal über meine Gränzen hinaus gezogen werde, wenigstens daß ich nicht so lange mich auf einem so engen Fleck herumtreibe. Kommt der alte Meister noch dazu, der die Reichthümer einer fremden Kunst mir zum Besten gibt, so soll es wohl an guten Wirkungen nicht fehlen. Ich lege den Handschuh wieder bei, der zum Taucher wirklich ein artiges Nach- und Gegenstück macht, und durch sein eigenes Verdienst das Verdienst jener Dichtung um so mehr erhöht. Leben Sie recht wohl und lassen Sie bald von Sich hören.
G.
H 329 | S 330 | B 330
Jena, den 18. Juni 1797
Seit Ihrer Entfernung habe ich schon einen Vorschmack der großen Einsamkeit, in die mich Ihre völlige Abreise versetzen wird. Glücklicherweise ist mir das Wetter jetzt günstig und ich kann im Freien leben. Unterdessen beschäftigte mich der Vieilleville, denn die Stunden drängen sehr; doch habe ich auch etwas Weniges poetisirt: ein kleines Nachstück zum Taucher, wozu ich durch eine Anekdote in S. Foix Essay sur Paris aufgemuntert wurde.
Ich sehe einer poetischen Thätigkeit jetzt mit rechter Lust entgegen und hoffe in den zwei nächsten Monaten auch etwas zu Stande zu bringen.
Die Entscheidung, ob Sie weiter gehen werden als nach der Schweiz, ist auch mir wichtig und ich erwarte sie mit Ungeduld. Je mehr Verhältnissen ich jetzt abgestorben bin, einen desto größern Einfluß haben die wenigen auf meinen Zustand, und den entscheidendsten hat Ihre lebendige Gegenwart. Die letzten vier Wochen haben wieder Vieles in mir bauen und gründen helfen. Sie gewöhnen mir immer mehr die Tendenz ab (die in allem Praktischen und besonders Poetischen eine Unart ist), vom Allgemeinen zum Individuellen zu gehen, und führen mich umgekehrt von einzelnen Fällen zu großen Gesetzen fort. Der Punkt ist immer klein und eng, von dem Sie auszugehen pflegen, aber er führt mich in’s Weite und macht mir dadurch, in meiner Natur wohl, anstatt daß ich auf dem andern Weg, dem ich, mir selbst überlassen, so gerne folge, immer vom Weiten ins Enge komme, und das unangenehme Gefühl habe, mich am Ende ärmer zu sehen als am Anfang.
Von Humboldt habe ich noch immer keine Nachricht, er scheint noch nicht in Dresden angekommen zu seyn, weil mir auch Körner nichts von ihm zu schreiben wußte. Jener Herr von Senf, den Ihnen Körner angemeldet, wird nicht in unsre Gegend kommen; er hat kürzlich eine Verhinderung erhalten.
Heute Abend ging meine Frau mit Wolzogen, der hier war, auf etliche Tage nach Weimar. Mich läßt der Vieilleville diese Woche nicht vom Platz.
Vergessen Sie doch nicht, mir den Chor aus Prometheus zu schicken.
Leben Sie recht wohl. Ich sehne mich bald wieder von Ihnen zu hören.
Sch.
H 328 | S 329 | B 329
Jena, den 16. Juni 1797
Leider muß ich mit meiner mineralogischen Gabe zugleich anzeigen, daß ich abgerufen werde und heute Abend wegreise; ich komme auf alle Fälle noch einen Augenblick und bitte durch Überbringer um die beiden Fischbücher.
G.
H 327 | S 328 | B 328