683. An Schiller

Weimar, den 8. November 1799

Mein Wunsch Sie zu sehen, wird hoffentlich morgen erfüllt werden, und wenn meine Gegenwart gleich keine Hülfe bringen kann, so ist die Ableitung der Gedanken, bei einem dauernden Übel, doch immer schon etwas.

Carl befindet sich in seinem neuen Zustand ganz leidlich, nur bei’m Eintritt der Nacht tritt auch, wie es bei Kindern immer geschieht, die Sehnsucht nach dem gewohnten Zustand ein.

Ich wünsche daß Sie sich wie bisher erhalten mögen.

Ich habe vieles worüber ich Ihre Gedanken zu vernehmen wünsche.

G.

H 674 | S 672 | B 675

682. An Goethe

Jena, den 8. November 1799

Ich habe meine Frau vorgestern bei meiner Zurückkunft gefunden wie ich sie verließ, der gestrige Tag ist gut und vielversprechend gewesen, aber diese heutige Nacht kam die Unruhe unter heftigen Beängstigungen zurück, und die Besserung scheint wieder weit hinausgeschoben.

Und so ist es denn auch mit mir selbst noch bei’m Alten, ich kann mich mit nichts erfreulichem beschäftigen.

Meinem Schwager habe ich den bewußten Auftrag gegeben und hoffe bald Wirkungen davon zu sehen.

Leben Sie bestens wohl und grüßen mir den Carl. Seine kleinen Bedürfnisse bringt eine Gelegenheit morgen mit.

Sch.

H 673 | S 671 | B 674

681. An Schiller

Jena, den 5. November 1799

Ich begleite die hier folgenden Stücke nur mit einem paar Worten zum Gruß. Meine Frau zeigt heute merklich mehr Besinnung und scheint sich überhaupt etwas besser zu befinden, als seit acht Tagen.

Vielleicht komme ich morgen nach Weimar meine Schwiegermutter zurückzubringen, die heute mit meinem Schwager hinüber ist. Es wird mich herzlich freuen, Sie wieder zu sehen.

Sch.

H 672 | S 670 | B 673

680. An Goethe

Jena, den 4. November 1799

Mit meiner Frau steht es leider noch ganz auf demselben Punct wie vor drei Tagen, und es ist noch gar nicht abzusehen, was daraus werden will. Seit vorgestern spricht sie keine Sylbe, obgleich mehrere Umstände vermuthen lassen, daß sie uns kennt und die Zeichen der Liebe erwidert, die wir ihr geben. Sie hat in diesen drei Tagen reichlich geschlafen, aber fast nichts zu sich genommen und das Wenige mit großer Mühe. Eine hartnäckige Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Abwesenheit des Geistes ist das Symptom das uns am meisten quält und ängstigt. Gott weiß, wohin all dieß noch führen wird, ich kenne keinen ähnlichen Fall aus dem sich dieser judiciren ließe, und ich fürchte, Starkens Erfindungskraft wird auch bald erschöpft seyn. Opium, Moschus, Hyoscyamus, China, Kampher, Zinkblumen, Vesicatorien, Sinapismen, kalte Salmiakumschläge um den Kopf, starke Öle zum Einreiben sind nach und nach an der Reihe gewesen, und heute soll mit der Bella Donna noch ein Versuch gemacht werden.

Weil der immerwährende quälende Anblick mich ganz niederdrückt, so habe ich mich entschlossen, vielleicht auf einen halben Tag nach Weimar zu fahren, und mein Gemüth zu zerstreuen. Auch meine Schwiegermutter bedarf dieser Veränderung, wir wissen meine Frau während der kurzen Abwesenheit unter den Augen der Grießbachin, die uns bisher große Dienste geleistet hat.

Haben Sie doch die Güte, von Wallensteins Lager und den beiden hier zurückkehrenden Stücken auf’s allerschnellste eine Abschrift besorgen zu lassen. Ich habe hier in meinem Hause jetzt keinen Raum für die Abschreiber, und aus dem Hause mag ich die Stücke hier nicht geben. Sie erweisen mir eine große Gefälligkeit, wenn Sie mir recht bald Copien davon schaffen.

Übrigens liegen noch alle Geschäfte bei mir und liegen vielleicht noch lange.

Mögen Sie selbst indessen wohl und heiter seyn. Daß ich Büry neulich nicht sehen konnte, habe ich beklagt, aber es war unter den Umständen ganz unmöglich,

Ein herzliches Lebewohl.

Sch.

P. S. Die zwei Stücke bringt morgen das Botenmädchen, weil die reitende Post sie nicht annahm. Wallensteins Lager aber hat Seyffarth, und dieß könnte also gleich angefangen werden. Auch bitte ich um die Melodien 1stens zu dem Anfangslied in Wallensteins Lager, 2tens dem Recruten-, 3tens dem Reiterlied und 4tens des Mädchens Klage. Loder hat die Stücke an das Theater zu Magdeburg verhandelt, wohin ich sie eilig schicken muß. Seyffarth hat mir zwar Wallensteins Lager kürzlich copiren lassen, aber ich brauche noch eine Copie.

H 671 | S 669 | B 672

679. An Schiller

Weimar, den 2. November 1799

Indem mich Ihr Brief von einer Seite beruhigt, da er mir die Nachricht von der Beßrung Ihrer lieben Frauen gibt, so entstehen von der andern Seite freilich wieder neue Sorgen wegen der Dauer des Übels.

Ich will suchen mich die nächste Woche los zu machen um einige Zeit mit Ihnen zuzubringen, obgleich mancherlei Umstände, wie ich befürchte, mir entgegenstehen werden.

Diese Tage habe ich mehr zweckmäßig als zum Vergnügen auf dem Lande zugebracht; in der Stadt komme ich über lauter Kleinigkeiten gar nicht zur Besinnung. Bury, ein alter römischer Freund, ist hier, der, nachdem er 17 Jahre in Rom zugebracht, sich auch wieder nach Norden zurückziehen müssen.

Für heute sage ich nichts mehr als ein Lebewohl.

G.

H _ | S 668 | B 671

Nicht bei H, zitiert nach S.

678. An Goethe

Jena, den 1. November 1799

Der ein und zwanzigste Tag der Krankheit ist jetzt vorbei, das Fieber hat sehr abgenommen und ist oft ganz weg, aber die Besinnung ist noch nicht wieder da, vielmehr scheint sich das ganze Übel in den Kopf geworfen zu haben, und es kommt oft zu völlig phrenetischen Accessen. Wir sind also zwar wegen des Lebens meiner Frau nicht mehr in Sorgen, aber können uns der Furcht nicht erwehren, daß ihr Kopf leiden möchte. Indessen glaubt Starke noch immer uns hierüber ganz beruhigen zu können. An wirksamen Mitteln hat er es von Anfang an nicht fehlen lassen, und ist, nach Maßgabe der Krankheit, immer damit gestiegen. Jetzt werden kalte Umschläge um den Kopf gebraucht, die nicht ohne guten Effekt zu bleiben scheinen, denn seitdem diese applicirt werden, hat meine Frau mich und ihre Mutter auf Augenblicke wieder erkannt.

Ich thue das Mögliche, um mich von der Qual bei Tag und Nacht auf Stunden zu erholen und kann mich bis jetzt über meine Gesundheit nicht beklagen. Aber die Sache droht langwierig zu werden, und für diesen Fall weiß ich noch keinen Rath. Leben Sie recht wohl. Ich werde abgerufen.

Sch.

H 670 | S 667 | B 670

677. An Schiller

Niederroßla, den 31. Oktober 1799

Sie haben mir durch die Nachricht daß es mit Ihrer lieben Frauen, wo nicht besser doch hoffnungsvoller stehe, eine besondere Beruhigung gegeben, so daß ich diese paar Tage der Kirchweihe in Niederroßla mit einiger Zufriedenheit beiwohnen konnte. Heute will ich nach Buttstädt fahren, wo Pferdemarkt ist, und kommen Abends wieder nach Hause, wo ich in Ihrem Briefe von gestern gute Nachrichten zu finden hoffe.

Sobald es die Umstände einigermaßen erlauben, besuche ich Sie, denn ich habe mancherlei mit Ihnen abzureden, und wenn Mahomet fertig werden soll, so muß ich wieder einige Zeit in Jena zubringen. Ich wünsche, daß die Sachen so stehen, daß Sie der Kranken meinen Gruß wieder bringen können. Möchte diese Sorge keinen Eindruck auf Ihre eigne Gesundheit machen!

G.

H 669 | S 666 | B 669

676. An Goethe

Jena, den 30. Oktober 1799

Ich ergreife die Gelegenheit die ich eben erhalte, nach Weimar zu schreiben, Ihnen wissen zu lassen, daß nach Starkens Urtheil meine Frau jetzt außer Gefahr ist, das Fieber fast ganz aufgehört hat, aber leider die Besinnung noch nicht da ist, vielmehr heftige Accesse von Verrückung des Gehirns öfters eintreten. Indessen auch darüber beruhigt uns der Arzt, aber Sie können denken, daß wir uns in einem traurigen Zustand befinden. Ich habe mich bis jetzt noch erträglich gehalten, aber heute nach der vierten Nacht, die ich binnen sieben Tagen durchwacht habe, finde ich mich doch sehr angegriffen.

Leben Sie recht wohl, und geben Sie mir auch wieder einmal Nachricht von ich.

Sch.

H 668 | S 665 | B 668

675. An Goethe

Montag Abends, den 28. Oktober 1799

Ich finde nur ein paar Augenblicke Zeit, um Ihnen zu melden, daß es sich seit gestern Abend ruhiger anläßt, daß die Nacht erträglich gewesen und die Phantasien nicht mehr so unruhig sind, obgleich die liebe gute Frau noch immer im delirio ist. Der Friesel ist heraus und die Kräfte sind noch gut. Starke gibt gute Hoffnung und meint daß es sich auf den Donnerstag wohl anfangen werde zu bessern.

Mit meiner Gesundheit geht es noch recht gut, obgleich ich in sechs Tagen drei Nächte ganz durchwacht habe.

Leben Sie recht wohl, ich schreibe übermorgen wieder.

Sch.

H 667 | S 664 | B 667

674. An Schiller

Weimar, den 26. Oktober 1799

Ihr Brief, werthester Freund, hat mich auf das unangenehmste überrascht. Unsere Zustände sind so innig verwebt daß ich das was Ihnen begegnet an mir selbst fühle. Möge das Übel sich bald in’s Bessere wenden, und wir wollen die unvermeidlichen Folgen zu übertragen suchen.

Ich würde Sie gleich besuchen, wenn ich nicht gegenwärtig von so vielerlei Seiten gedrängt wäre. Ohne Ihnen hülfreich seyn zu können, würde ich in Jena mich nur unruhig fühlen, indem hier so manches Geschäft an meine Mitwirkung Anspruch macht.

Ich wünsche nichts sehnlicher, als bald etwas Tröstliches von Ihnen zu hören. Möge nur nicht auch Ihre Gesundheit bei diesen Umständen leiden! Schreiben Sie mir doch auch zwischen den Botentagen, wenn Sie Gelegenheit finden.

G.

H 666 | S 663 | B 666

673. An Goethe

Jena, den 25. Oktober 1799

Seit dem Abend als ich Ihnen zuletzt schrieb ist mein Zustand sehr traurig gewesen. Es hat sich noch in derselben Nacht mit meiner Frau verschlimmert, und ihre Zufälle sind in ein förmliches Nervenfieber übergegangen, das uns sehr in Angst setzt. Sie hat zwar für die große Erschöpfung die sie ausgestanden noch viele Kräfte, aber sie phantasirt schon seit drei Tagen, hat diese ganze Zeit über keinen Schlaf, und das Fieber ist oft sehr stark. Wir schweben noch immer in großer Angst, obgleich Starke jetzt noch vielen Trost gibt. Wenn auch das Ärgste nicht erfolgt, so ist eine lange Schwächung unvermeidlich.

Ich habe in diesen Tagen sehr gelitten, wie Sie wohl denken können, doch wirkte die heftige Unruhe, Sorge und Schlaflosigkeit nicht auf meine Gesundheit, wenn die Folgen nicht noch nachkommen. Meine Frau kann nie allein bleiben, und will niemand um sich leiden als mich und meine Schwiegermutter. Ihre Phantasien gehen mir durch’s Herz und unterhalten eine ewige Unruhe.

Das Kleine befindet sich Gott Lob wohl. Ohne meine Schwiegermutter, die theilnehmend ruhig und besonnen ist, wüßte ich mir kaum zu helfen.

Leben Sie recht wohl, ich würde sehr getröstet seyn, Sie bald zu sehen, ob ich Sie gleich bei so unglücklichen Umständen nicht einladen darf.

Sch.

H 665 | S 662 | B 665

672. An Schiller

Weimar, den 23. Oktober 1799

Ich wünsche Glück zu den fortdauernden guten Aspecten, die über die Wochenstube scheinen; vielleicht mache ich darin selbst noch einen Besuch. Mein hiesiges Wesen ist gegenwärtig so prosaisch wie der Vossische Almanach, und ich sehe auch keine Möglichkeit in meinen hiesigen Verhältnissen eine Arbeit zu fördern, die doch eigentlich eine zarte Stimmung erfordert. Gerade das was jetzt am Mahoment zu thun ist, darf am wenigsten mit dem bloßen Verstand abgethan werden.

Seitdem mir Humboldt’s Brief und die Bearbeitung Mahomets ein neues Licht über die französische Bühne aufgesteckt haben, seitdem mag ich lieber ihre Stücke lesen und habe mich jetzt an den Crebillon begeben. Dieser ist auf eine sonderbare Weise merkwürdig. Er behandelt die Leidenschaften wie Kartenbilder, die man durch einander mischen, ausspielen, wieder mischen und wieder ausspielen kann, ohne daß sie sich im geringsten verändern. Es ist keine Spur von der zarten chemischen Verwandtschaft, wodurch sie sich anziehen und abstoßen, vereinigen, neutralisiren, sich wieder scheiden und herstellen. Freilich gewinnt er auf seinem Weg Situationen, die auf jedem andern unmöglich wären. Uns würde überhaupt diese Manier unerträglich seyn, allein ich habe gedacht, ob man sie nicht zu subalternen Compositionen, Opern, Ritter- und Zauberstücken mit Glück brauchen könnte und sollte. Was ich darüber gedacht, wird uns Gelegenheit zu einem Gespräch und zur Überlegung geben.

Es soll mich sehr freuen wenn Sie den Plan zu den Malthesern mitbringen. Wenn ich es möglich machen kann, besonders aber wenn ich keinen Weg sehe den Mahomet hier fertig zu machen, so komme ich den ersten November hinüber, bis dahin wird alles hier was sich auf mich bezieht wieder ziemlich für eine Zeit eingeleitet sein.

Von Frankfurt erhalte ich die Nachricht daß Schlosser gestorben ist. Die Franzosen und sein Garten sind die nächsten Ursachen seines Todes. Er befand sich in demselben, als jene sich Frankfurt näherten, er verspätete sich und fand das nächste Thor schon verschlossen, er mußte bis zu dem folgenden eilen, das weit entfernt ist, kam in eine sehr warme Stube, wurde von da auf’s Rathhaus gerufen, worauf er in ein Fieber verfiel das tödtlich wurde und ihn in kurzer Zeit hinraffte. [Unsere botanische Correspondenz hat sich also leider zu früh geschlossen]*.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns die Tage gebrauchen die uns noch gegeben sind.

G.

H 664 | S 661 | B 664

* Nicht bei H.

671. An Goethe

Jena, den 22. Oktober 1799

Es geht mit der Erholung der kleinen Frau etwas langsam, doch ist sie von übeln Zufällen verschont geblieben, und das Kleine nimmt täglich zu und zeigt sich als einen frommen ruhigen Bürger des Hauses. Unter diesen Umständen habe ich indeß mein Gemüth noch nicht recht sammeln können, da ich mich nicht isoliren kann und auch zu oft abgerufen werde.

Und doch etwas zu thun, habe ich über die Disposition meiner Maltheser-Tragödie nachgedacht, damit ich dem Herzog sogleich bei meiner Ankunft etwas Bedeutendes vorzulegen habe. Es wird mit diesem Stoff recht gut gehen, das punctum saliens ist gefunden, das Ganze ordnet sich gut zu einer einfachen großen und rührenden Handlung. An dem Stoff wird es nicht liegen, wenn keine gute Tragödie, und so wie Sie sie wünschen, daraus wird. Zwar reiche ich nicht aus mit so wenigen Figuren, als Sie wünschen, dieß erlaubt der Stoff nicht; aber die Mannigfaltigkeit wird nicht zerstreuen und der Einfachheit des Ganzen keinen Abbruch thun.

Die vom Herzog vorgeschlagene Geschichte des Martinuzzi scheint mir nicht brauchbar für die Tragödie. Sie enthält bloß Begebenheiten, keine Handlung, und alles ist zu politisch darin. Es ist mir recht lieb daß der Herzog selbst nicht weiter darauf besteht.

Vossens Almanach zeigt wirklich einen völligen Nachlaß seiner poetischen Natur. Er und seine Compagnons erscheinen auf einer völlig gleichen Stufe der Platitude und in Ermanglung der Poesie waltet bei allen die Frucht Gottes.

Ich wünsche morgen von Ihnen zu hören daß Sie dem Mahomet unterdessen was abgewonnen haben.

In der Erlanger Zeitung soll Herder sehr grob recensirt worden seyn.

Unser Almanach nimmt sich noch ganz gut, und neben seinen Kameraden vornehm genug aus.

Ich habe in den neuen Band von Schlegel’s Shakespeare hineingesehen und mir däucht, daß er sich viel härter und steifer liest als die ersten Bände. Wenn Sie es auch so finden, so wär’s doch gut ihm etwas mehr Fleiß zu empfehlen.

Die Frau grüßt Sie freundlich.

Leben Sie recht wohl.

Sch.

H 663 | S 660 | B 663

670. An Schiller

Weimar, den 19. Oktober 1799

Für Ihre Bemerkungen zu meiner Übersetzung danke schönstens. Ich werde sie bei meinem Studium des Stücks, das ich mir nun zur Pflicht mache, immer vor Augen haben. Der Gedanke den Ammon dreimal auftreten zu lassen ist sehr gut, und ich will sehen daß ich eine etwas bedeutende Maske für ihn finde. Übrigens da die Sache so weit ist, so wird es nicht schwer seyn das Interesse daran bis zum Ende zu erhalten.

Diese acht Tage gehen mir noch in mancherlei Geschäften hin, dann aber werde ich mich wohl entschließen müssen Sie noch einmal zu besuchen.

Der Herzog hat mir die Geschichte des Martinuzzi zugeschickt, ich lege sein Billet bei, woraus Sie sehen werden daß er von der Idee selbst abgeht und bald ein Schema Ihrer Maltheser zu sehen wünscht. Möchten Sie es doch gelegentlich ausfertigen können.

Ich lege den Vossischen Almanach bei, wenn Sie ihn noch nicht gesehen haben sollten. [Meyer sagt: er sähe aus als wenn niemals Poesie in der Welt gewesen wäre.]*

Zugleich folgen auch acht gute und sechs geringe Exemplare des Almanachs.

Leben sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Ich freue mich daß ich auf eine oder die andere Weise bald Hoffnung habe Sie wieder zu sehen.

G.

H 662 | S 659 | B 662

* Nicht bei H.

669. An Goethe

Jena, den 18. Oktober 1799

Meine Frau fängt nun an sich von ihrer großen Schwäche wieder zu erholen und ist nach den Umständen recht leidlich, das Kleine befindet sich sehr wohl. Sie dankt Ihnen herzlich für Ihr Andenken und für die Herzstärkung die Sie ihr geschickt.

Hier folgt der Mahomet nebst einigen Bemerkungen, die ich im Durchlesen gemacht. Sie betreffen größtentheils das Original selbst und nicht die Übersetzung, ich glaubte aber, daß man dem Original hierin nothwendig nachhelfen müsse.

Was die Anordnung des Ganzen betrifft, so scheint es mir durchaus nöthig, diesen Ammon handelnd einzuführen, und die Erwartung des Zuschauers immer in Athem zu erhalten, daß derselbe das Geheimniß mit den Kindern dem Sopir offenbaren werde. Er muß mehrmal an ihn zu kommen suchen, er muß ihm Winke geben und dergleichen, so daß diese Sache dem Zuschauer niemals aus dem Gedächtnis kommt und daß die Furcht genährt wird, worauf doch alles beruht. Man muß diesen Ammon mit seiner Entdeckung bei den Haaren herbei zu ziehen wünschen, alle Hoffnung auf seine zeitige Erscheinung setzen u. s. w.

Die Scene, worin Seïde dem Ammon den vorhabenden Mord entdeckt, und welche im Stück bloß erzählt wird, sollte auf dem Theater wirklich vorkommen. Sie ist für’s Ganze zu wichtig und dabei ein großer Gewinn für den theatralischen Effekt. Ammon braucht darum nicht sogleich mit seinem Geheimniß gegen den Seïde herauszugehen, er hat andere Mittel die That zu hindern, ohne sich in Gefahr zu setzen. Mahomet erführe von Omar bloß, daß dieser den Seïde mit dem Ammon bei einer leidenschaftlichen Unterredung überrascht und Letztern sehr consternirt gefunden habe. Auch könnte er einen Versuch Ammons, den Sopir geheim zu sprechen, erfahren. Dieß reichte hin ihn zu Hinwegschaffung des Ammon zu bewegen, dieser entdeckte dann sterbend dem Phanor alles und es erfolgte so wie’s im Stück schon ist.

Meine Idee wäre ohngefähr diese. Wenn Mahomet (im II. Aufzug, 4. Scene) dem Omar seine Liebe zu Palmire entdeckt hat, träte Ammon auf, Omar würde schicklich entfernt, und nun brächte Ammon das Anliegen vor, daß Mahomet endlich die Kinder ihrem Vater wiedergeben und dadurch Friede mit Sophir und mit Mecca machen möchte. Die entdeckte Liebe beider zu einander und die Furcht vor einem Incest könnte ein neuer Antrieb für ihn seyn. Mahomet müßte ihn nicht geradezu refüsiren und ihm bloß das strengste Schweigen auferlegen.

Zum zweitenmal würde ich den Ammon auftreten lassen am Anfang des dritten Acts zwischen den beiden Kindern. Sie müßten ihm ihre Liebe zu einander zeigen, er müßte einen gewissen Schauer dabei zeigen. Auch könnte ihm hier Seïde schon die Entdeckung machen, daß Mahomet ihn zu einer blutigen That berufen. Ammon würde von Frucht erfüllt, Mahomets Eintritt müßte ihn verscheuchen.

Das drittemal würde ich den Ammon mit Vater und Sohn zusammenbringen, aber ehe er sich erklärte, trät’ Omar ein und entfernte den Seïde. Ammon bliebe mit Sopiren, ein Theil der Entdeckung, die jetzt durch des Arabers Brief gemacht wird, geschähe durch ihn selbst, Sopir erführe daß seine Kinder noch leben, aber nicht wer sie sind, weil Ammon verhindert würde seine Entdeckung zu beendigen. Er hätte bloß Zeit, ihm die nächtliche Zusammenkunft vorzuschlagen.

Unterdessen hätte Mahomet die Untreue des Ammon geargwohnt und alles erfolgte wie im Stück.

Ich muß abbrechen, man unterbricht mich. Leben sie recht wohl, ich wünsche sehr daß Sie in den nächsten acht Tagen über die Veränderungen welche in dem Mahomet noch nöthig sind, vollkommen sich entscheiden möchten, um hier gleich an die Ausführung zu gehen.

Von den Schwestern zu Lesbos fehlt mir der sechste und siebente Bogen. Sie haben vielleicht vergessen sie zu senden.

Leben sie recht wohl.

Sch.

H 661 | S 658 | B 661

668. An Schiller

Weimar, den 16. Oktober 1799

Ich freue mich herzlich daß die Wöchnerin und das Kleine sich nach den Umständen wohl befinden. Möge es zunehmend so fortgehen.

Ich bin wieder in die Zerstreuung meines Weimarischen Lebens gerathen, so daß auch keine Spur von einem Jamben in meinem Kopfe übrig geblieben ist. Ich wollte die erste Scene gestern ein wenig durchsehen, ich konnte sie aber nicht einmal lesen. Haben sie ja die Güte mir bald etwas über das Stück zu sagen und mir meine Übersetzung zuzuschicken, damit ich wenigstens drüber denken könne, um sobald als möglich das Ganze zusammen zu arbeiten, wozu ich mir aber wohl einen Jenaischen Aufenthalt wieder wählen muß.

Hiebei schicke ich der liebwerthen Frau Wöchnerin ein Glas Eau de Cologne zur Erquickung, um welches ich die Bogen des Musenalmanachs, die Ihnen fehlen, geschlagen habe.

Leben Sie recht wohl, mit den nächsten Boten werden die Almanache folgen, und es mag sich dann für diesen Winter eins aus dem andern entwickeln.

G.

H 660 | S 675 | B 660

667. An Goethe

Jena, den 15. Oktober 1799

Unsre kleine Caroline ist diesen Vormittag getauft, und ich fange wieder an in eine Ruhe zu kommen. Meine Frau befindet sich für die Umstände recht leidlich und mit dem Kind ist es diese zwei Tage auch recht gut gegangen.

Ich habe nun auch den Anfang gemacht den Mahomet zu durchgehen und einiges dabei anzumerken, was ich auf den Freitag schicken will. So viel ist gewiß, wenn mit einem französischen und besonders Voltaire’schen Stück der Versuch gemacht werden sollte, so ist Mahomet am besten dazu gewählt worden. Durch seinen Stoff ist das Stück schon vor der Gleichgültigkeit bewahrt, und die Behandlung hat weit weniger von der französischen Manier als die übrigen Stücke die mir einfallen. Sie selbst haben schon viel dafür gethan und werden, ohne große Mühe, noch einiges Bedeutende thun können. Ich zweifle daher nicht, der Erfolg wird der Mühe des Experiments werth seyn. Dem ungeachtet würde ich Bedenken tragen, ähnliche Versuche mit andern französischen Stücken vorzunehmen, denn es giebt schwerlich noch ein zweites, das dazu tüchtig ist. Wenn man in der Übersetzung die Manier zerstört, so bleibt zu wenig poetisch menschliches übrig, und behält man die Manier bei und sucht die Vorzüge derselben auch in der Übersetzung geltend zu machen, so wird man das Publicum verscheuchen.

Die Eigenschaft des Alexandriners sich in zwei gleiche Hälften zu trennen, und die Natur des Reims, aus zwei Alexandrinern ein Couplet zu machen, bestimmen nicht bloß die ganze Sprache, sie bestimmen auch den ganzen innern Geist dieser Stücke. Die Charaktere, die Gesinnungen, das Betragen der Personen, alles stellt sich dadurch unter die Regel des Gegensatzes, und wie die Geige des Musikanten die Bewegungen der Tänzer leitet, so auch die zweischenkligte Natur des Alexandriners die Bewegungen des Gemüths und die Gedanken. Der Verstand wird ununterbrochen aufgefordert, und jedes Gefühl, jeder Gedanke in diese Form, wie in das Bette des Prokrustes gezwängt.

Da nun in der Übersetzung mit Aufhebung des Alexandrinischen Reims die ganze Basis weggenommen wird, worauf diese Stücke erbaut wurden, so können nur Trümmer übrig bleiben. Man begreift die Wirkung nicht mehr, da die Ursache weggefallen ist.

Ich fürchte also, wir werden in dieser Quelle wenig Neues für unsre deutsche Bühne schöpfen können, wenn es nicht etwa die bloßen Stoffe sind.

In diesen zwei Tagen seit Ihrer Abreise habe ich noch nichts gearbeitet, hoffe aber morgen wieder dazu zu kommen.

Haben Sie doch die Güte mir mit der Botenfrau die sämmtlichen Bogen des Almanachs, oder wenn er zu haben ist einen gehefteten Almanach zu überschicken.

Meyern viele Grüße. Leben Sie recht wohl.

Sch.

H 659 | S 656 | B 659

666. An Goethe

[Jena, den 21. oder 22. September 1799]

Das Paket überrascht mich nicht wenig, und ob es gleich meine alte Unentschlossenheit wieder zurückruft (denn ich habe mich heute schon ernstlich entschlossen gehabt, den Beitrag zum Almanach aufzugeben und mich deßwegen schon wieder an die Maria gemacht), so belebt es doch auch wieder meinen Muth, vielleicht hat es diese Wirkung auch bei Ihnen. Leben Sie recht wohl; ich hoffe Sie heute bald zu sehen, wenn gleich das Wetter die vorgehabte Gartenpartie aufhebt.

Sch.

H 658 | S 655 | B 658

665. An Schiller

Weimar, den 4. September 1799

Da eben eine Theaterdepesche nach Rudolstadt geht, so will ich den Boten nicht ohne ein Paar Worte an sie abfertigen.

Wegen des Hauses habe ich mit Müllern abgeschlossen; Charlotte will einiges darin lassen, woran sie ganz freundlich handelt.

Kommen Sie glücklich hierher! Der Weg nach Rudolstadt ist den Weimaranern diesmal nicht günstig gewesen.

Über Ihre Marie wird es mir eine Freude seyn mit Ihnen zu verhandeln. Was die Situation betrifft, so gehört sie, wenn ich nicht irre, unter die romantischen. Da wir Modernen nun diesem Genius nicht entgehen können, so werden wir sie wohl passiren lassen, wenn die Wahrscheinlichkeit nur einigermaßen gerettet ist. Gewiß aber haben Sie noch mehr gethan. Ich bin äußerst neugierig auf die Behandlung.

Unsere Preiszeichnungen sind nun ausgestellt, der Saal ist noch nicht eröffnet, und es haben sie wenige gesehen; allein es scheint mir daß der Kreis von Urtheilen schon ziemlich durchlaufen ist.

Über das Absurde schreit jedermann auf und freut sich etwas so tief unter sich zu sehen. Über das Mittelmäßige erhebt man sich mit Behaglichkeit. Den Schein lobt man, ohne Rückhalt und ohne Bedingung; denn der Schein ist eigentlich in der Empirie das allgemein Geltende. Das Gute, das aber nicht vollkommen ist, übergeht man mit Stillschweigen; denn das Ächte, was man am Guten bemerkt, nöthigt Achtung ab, das Unvollkommene das man daran fühlt, erregt Zweifel, und wer den Zweifel nicht selbst heben kann, mag sich in diesem Falle nicht compromittiren, und thut auch ganz wohl daran. Das Vollkommene, wo es anzutreffen ist, gibt eine gründliche Befriedigung, wie der Schein eine oberflächliche, und so bringen beide eine ähnliche Wirkung hervor.

Wir wollen sehen ob das Publicum sich noch mannigfaltiger beweist. Geben Sie doch auf Ihrer gegenwärtigen Excursion Acht, ob Sie das Schema nicht completiren können. Es wäre doch hübsch, wenn man es dahin brächte daß man wüßte was die Leute urtheilen müssen.

Leben Sie wohl und vergnügt, grüßen Ihre liebe Frau und kommen glücklich zu uns; es verlangt mich so sehr Sie wieder zu sehen, als ich in meiner jetzigen Lage wünschen muß wieder eine Epoche zu erleben, da meine Zustände ein wenig zu stagniren anfangen.

G.

H 657 | S 655 | B 657

664. An Goethe

Jena, den 3. September 1799

Ich habe keine weitere Nachricht des Quartiers wegen von Ihnen erhalten, und rechne nun ganz darauf, daß es für mich gemiethet ist. Die Umstände nöthigen mich, die Rudolstädter Reise acht Tage früher anzutreten, wir gehen morgen von hier, und ich denke auf den Dienstag oder Mittwoch in Weimar seyn zu können. Ihr Brief fände mich also morgen nicht mehr hier. Leider werde ich also in den nächsten acht Tagen nichts von Ihnen hören, wenn mir nicht die Theaterdepeschen von Weimar nach Rudolstadt ein paar Zeilen bringen.

Ich werde nun in meiner dramatischen Arbeit eine Zeitlang pausiren müssen, wenn noch an den Almanach gedacht werden soll. Der Abschnitt ist auch schicklich, ich habe die Handlung bis in die Scene geführt, wo die beiden Königinnen zusammen kommen. Die Situation ist an sich selbst moralisch unmöglich; ich bin sehr verlangend, wie es mir gelungen ist, sie möglich zu machen. Die Frage geht zugleich die Poesie überhaupt an, und darum bin ich doppelt begierig sie mit Ihnen zu verhandeln.

Ich fange in der Maria Stuart an mich einer größern Freiheit oder vielmehr Mannigfaltigkeit im Sylbenmaß zu bedienen, wo die Gelegenheit es rechtfertigt. Diese Abwechslung ist ja auch in den griechischen Stücken, und man muß das Publicum an alles gewöhnen.

Sehr freue ich mich Ihnen nun, obgleich durch einen großen Umweg, mich wieder zu nähern, denn ich werde unmittelbar von Rudolstadt nach Weimar gehen.

Leben Sie recht wohl für diese acht Tage. Die Frau grüßt auf’s beste.

Sch.

H 656 | S 653 | B 656