Weimar, den 22. Juni 1799
Ich freue mich, daß Sie so viel Gutes von dem Sammler sagen mögen. Wie viel Antheil Sie an dem Inhalt und an der Gestalt desselben haben wissen Sie selbst, nur hatte ich zur Ausführung nicht die gehörige Zeit und Behaglichkeit, so daß ich fürchtete das Ganze möchte nicht genug gefälliges Ansehen haben. Auch hätte man bei mehrerer Muße die scharfen Ingredienzien mit etwas mehr Syrup einwickeln können. Indessen thut vielleicht dem Ganzen diese skizzirte Manier nur um so viel besser. Wir selbst haben dabei viel gewonnen, wir haben uns unterrichtet, wir haben uns amusirt, wir machen Lärm und das gegenwärtige Propyläenstück wird gewiß doppelt so viel gelesen als die vorigen. Der wahre Nutzen aber für uns steht noch eigentlich bevor. Das Fundament ist gut und ich bitte noch recht streng darüber zu denken. Meyer hat die Idee mit Neigung aufgefaßt und es sind sehr wichtige Resultate zu erwarten. Ich sage davon vorläufig nur so viel.
Alle neuern Künstler gehören in die Klasse des Unvollkommenen, und fallen also mehr oder weniger in die getrennten Rubriken. So hat Meyer erst gestern, zu seiner größten Zufriedenheit, entdeckt daß Julius Roman zu den Skizzisten gehört. Meyer konnte mit dem Charakter dieses Künstlers, bei großen Studien über denselben, nicht fertig werden, nunmehr glaubt er aber daß durch diese Enunciation das ganze Räthsel gelöst sey. Wenn man nun den Michel Angelo zum Phantasmisten, den Correggio zum Undulisten, den Raphael zum Charakteristiker macht, so erhalten diese Rubriken eine ungeheure Tiefe, indem man diese außerordentlichen Menschen in ihrer Beschränktheit betrachtet und sie doch als Könige, oder hohe Repräsentanten ganzer Gattungen, aufstellt. Nachahmer werden wohl die Deutschen bleiben und Nebulisten giebt es in der ältern Kunst gar keinen; Öser wird hingegen als ein solcher wohl aufgeführt werden. Wer hindert uns, wenn wir diese Materie noch recht durchgedacht haben, eine Fortsetzung des Sammlers auszuarbeiten? Diese Production wird uns immer reizen, da sie das Kunsterforderniß von Ernst und Spiel selbst so redlich vereinigt.
Was aber auch dieß seyn und wirken mag, so wird doch die Arbeit über den Dilettantismus eine weit größere Breite einnehmen. Sie ist von der größten Wichtigkeit und es wird von Umständen und vom Zufall abhängen, auf welche Weise sie zuletzt producirt wird. Ich möchte ihr gar zu gern auch eine poetische Form geben, theils um sie allgemeiner, theils um sie gefälliger wirken zu machen. Denn wie Künstler, Unternehmer, Vorkäufer, Käufer und Liebhaber jeder Kunst im Dilettantism ersoffen sind, das sehe ich erst jetzt mit Schrecken, da wir die Sache so sehr durchgedacht und dem Kinde einen Namen gegeben haben. Wir wollen mit der größten Sorgfalt unsere Schemata nochmals durcharbeiten, damit wir uns des ganzen Gehaltes versichern, und dann abwarten, ob uns das gute Glück eine Form zuweist, in der wir ihn aufstellen. Wenn wir dereinst unsere Schleusen ziehen, so wird es die grimmigsten Händel setzen, denn wir überschwemmen geradezu das ganze liebe Thal, worin sich die Pfuscherei so glücklich angesiedelt hat. Da nun der Hauptcharakter des Pfuschers die Incorrigibilität ist und besonders die von unserer Zeit mit einem ganz bestialischen Dünkel behaftet sind, so werden sie schreien, daß man ihnen ihre Anlage verdirbt, und wenn das Wasser vorüber ist, wie Ameisen nach dem Platzregen alles wieder in alten Stand setzen. Doch das kann nichts helfen, das Gericht muß über sie ergehen. Wir wollen unsere Teiche nur recht anschwellen lassen und dann die Dämme auf einmal durchstechen. Es soll eine gewaltige Sündfluth werden.
Gestern sahen wird die neuen Blätter der chalkographischen Gesellschaft. Es ist unglaublich was auch diese zu pfuschen anfängt, und der Dünkel der Unternehmer ist dem Unbegriff gleich. Die Wahl des Kunstwerks, das sie in Kupfer bringen ist schon unglücklich, die Art wie es nun übersetzt werden soll, falsch gewählt. Das wissen sie freilich beides nicht, aber, wo sie sich’s nicht verbergen können, helfen sie sich dadurch daß sie sich ihrer Sparsamkeit erfreuen, weil die schlechten Originale nichts kosten.
So habe ich auch neulich eine poetischen Dilettanten bei mir gesehen, der mich zur Verzweiflung gebracht hätte, wäre ich nicht in der Stimmung gewesen ihn naturhistorisch zu betrachten, um mir einmal von dem Gezücht einen recht anschaulichen Begriff zu machen.
Damit sey es für heute genug. Es bleibt uns nun einmal nichts übrig als auf dem eingeschlagenen Wege fortzugehen; dabei soll es aber auch treulich verbleiben. Ich nutze meine Tage so gut ich kann, und setze wenigstens immer einige Steine im Brette vorwärts. Thun Sie das Gleiche, bis zu unserm erfreulichen Wiedersehn. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und danken ihr für den Antheil den sie an der letzten Arbeit nimmt. Ich gehe nun dem Schicksal des übrigen Tages entgegen.
G.
H 615 | S 613 | B 616
Jena, den 20. Juni 1799
Der Franzose, der neulich mit Mellisch bei mir war und sich heut wieder einstellte hat mir die Zeit und Stimmung genommen, um Ihnen heute so viel über das Propyläenstück zu sagen als ich Willens war.
Es hat mir in der Gestalt, worin es jetzt ist, noch viel reicher und belebter geschienen, als je vorher bei’m einzelnen Lesen, und es muß als das heiter und kunstlos ausgegossene Resultat eines langen Erfahrens und Reflectirens auf jeden irgend empfänglichen Menschen wundersam wirken. Der Gehalt ist nicht zu übersehen, eben weil so vieles Wichtige nur zart, nur im Vorbeigehen angedeutet ist.
Die Aufführung der Charaktere und Kunstrepräsentanten hat dadurch noch sehr gewonnen, daß unter den Besuchfratzen keine in das Fachwerk paßt, welches nachher aufgestellt wird. Nicht zu erwähnen, daß der kleine Roman dadurch – poetisch – an Reichthum und Wahrheit gewinnt, so wird auch dadurch philosophisch der ganze Kreis vollendet, welcher in den drei Klassen des Falschen, des Unvollkommenen und des Vollkommenen enthalten ist.
Die letztern Ausführungen, die ich noch nicht kannte, sind sehr glücklich und unterhalten die geistreiche Heiterkeit bis an’s Ende.
Indeß zweifle ich nicht, daß dieß Propyläenstück tüchtigen Lärm machen und auch wieder an die Xenien erinnern wird.
Meine Frau, die Sie herzlich grüßt, hat sich an dem fröhlichen Humor und Leben das darin herrscht sehr ergötzt, und besonders hat ihr der Besuch der Fremden gefallen.
Leben Sie recht wohl für heute und genießen der schönen Witterung, der auch ich eine gute und productive Stimmung verdanke.
Sch.
H 614 | S 612 | B 615
Weimar, den 19. Juni 1799
Mir wird, ich gestehe es gern, jeder Zeitverlust immer bedenklicher, und ich gehe mit wunderlichen Projecten um, wenigstens noch einige Monate dieses Jahres für die Poesie zu retten, woraus den wohl aber schwerlich was werden könnte. Verhältnisse nach außen machen unsere Existenz und rauben sie zugleich, und doch muß man sehen, wie man so durchkommt, denn sich, wie Wieland gethan hat, gänzlich zu isoliren ist auch nicht rathsam.
Ich wünsche daß Sie an Ihrer Arbeit möglichst fortfahren. Die erste Zeit, da uns selbst die Idee noch neu ist, geht immer alles frischer und besser.
Ob ich vor Ende dieses Monats kommen kann, weiß ich nicht zu sagen. Der Prinz ist zu mir in’s Haus gezogen und außerhalb sieht es auch ziemlich unruhig aus, da wir hier auf alles eher als auf den Empfang eines Königs eingerichtet sind.
Um nicht ganz müßig zu seyn, habe ich meine dunkle Kammer aufgeräumt und will einige Versuche machen und andere wiederholen und besonders sehen, ob ich der sogenannten Inflexion etwas abgewinnen kann. Eine artige Entdeckung habe ich gestern, in Gesellschaft mit Meyern, gemacht. Sie wissen vielleicht daß man erzählt, daß gewisse Blumen im Sommer bei Abendzeit gleichsam blitzen, oder augenblicklich Licht ausströmen. Dieses Phänomen hatte ich noch niemals gesehen; gestern Abend bemerkten wir es sehr deutlich, an dem orientalischen Mohn, der vor allen andern Blumen eine gelbrothe Farbe hat. Bei genauer Untersuchung zeigte sich aber daß es ein physiologisches Phänomen ist, und der scheinbare Blitz das Bild der Blume mit der geforderten sehr hellgrünen Farbe ist. Keine Blume die man gerad ansieht bringt diese Erscheinung hervor, wenn man aber aus dem Augenwinkel hinschielt, so entsteht diese momentane Doppelerscheinung. Es muß dämmrig seyn, so daß das Auge völlig ausgeruht und empfänglich ist, doch nicht mehr als daß die rothe Farbe ihre völlige Energie behält. Ich glaube man wird den Versuch mit farbigem Papier recht gut nachmachen können, ich will die Bedingungen genau merken, übrigens ist das Phänomen wirklich sehr täuschend.
Ich lege den Sammler bei und wünsche daß der Spaß, indem er nun beisammen ist, Sie wieder unterhalten möge. Gedenken Sie dabei der guten Stunden in denen wir ihn erfanden.
Es ist wahr daß Vohs Miene macht wegzugehen; ich berufe mich aber auf den Contract, der noch zwei Jahre dauert.
Leben Sie wohl und nutzen die vierzehn Tage bis wir uns wieder sehen so gut als möglich. Ich will zufrieden seyn wenn ich nur etwas davon bringe. Indessen habe ich angefangen Pyrmonter zu trinken. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und empfehlen ihr meine Julie.
G.
H 613 | S 611 | B 614
Jena, den 18. Juni 1799
Es war mir sehr angenehm nach einer ungewöhnlich langen Zeit die Züge Ihrer Hand wieder zu sehen. Hier hatte man uns gesagt, Sie wären nach W. zurück, um dem Minister von Haugwitz, den der Herzog mitgebracht, Gesellschaft zu leisten. Desto besser für Sie, daß Sie diese Zeit nützlicher haben anwenden können. Besser Wetter hätte ich Ihnen freilich gewünscht, denn auch hier war es so rauh, daß wir zum warmen Ofen zurückkehren mußten.
Gegen meinen Fleiß verschwört sich diesen Sommer vieles. Ich erwarte in etwa acht Tagen meine Schwester mit meinem Schwager den Bibliothekar Reinwald aus Meiningen hier.
Meiner Schwester gönne ich diese Zerstreuung gerne, aber mit dem Schwager weiß ich nichts anzufangen, der wird mir wohl sechs Tage wie ein Klotz angebunden seyn.
Unter diesen Umständen kann ich freilich nicht, wie ich gedacht, bis zum Ende meines ersten Acts vor Ihrer Hieherkunft gelangen. Aber vorwärts ging es doch bisher immer, und nulla dies sine linea. Ich fange schon jetzt an, bei der Ausführung, mich von der eigentlich tragischen Qualität meines Stoffs immer mehr zu überzeugen, und darunter gehört besonders, daß man die Katastrophe gleich in den ersten Scenen sieht, und indem die Handlung des Stücks sich davon wegzubegeben scheint, ihr immer näher und näher geführt wird. An der Furcht des Aristoteles fehlt es also nicht und das Mitleiden wird sich auch schon finden.
Meine Maria wird keine weiche Stimmung erregen, es ist meine Absicht nicht, ich will sie immer als ein physisches Wesen halten, und das Pathetische muß mehr eine allgemeine tiefe Rührung, als ein persönlich und individuelles Mitgefühl seyn. Sie empfindet und erregt keine Zärtlichkeit, ihr Schicksal ist nur heftige Passionen zu erfahren und zu entzünden. Bloß die Amme fühlt Zärtlichkeit für sie.
Doch ich will lieber thun und ausführen, als Ihnen viel davon vorsagen, was ich thun will.
Man sagt hier, Vohs habe einen Ruf nach Petersburg, den er anzunehmen Lust habe. Es wäre doch schade wenn man ihn verlöre, obgleich seine Gesundheit nicht lang auf ihn zählen läßt. Es wird Mühe kosten, ihn sogleich zu ersetzen.
Leben Sie recht wohl und sagen mir morgen, daß Sie wieder in Weimar sind. Meine Frau grüßt Sie schönstens.
Meyern bitte ich bestens zu grüßen und ihm zu sagen, daß ich auf den Sonnabend antworten und die Bilder zurückschicken werde.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 612 | S 610 | B 613
Roßla, den 15. Juni 1799
Ihren zweiten lieben Brief erhalte ich abermals in Roßla, wo ich mich verschiedener Geschäfte wegen noch einige Tage aufhalten muß. Diese will ich lieber zugeben, da ich einmal in der Sache bin und hernach eine ganze Weile nicht wieder dran zu denken brauche. Es ist mir angenehm, über die Dorf- und Feldverhältnisse mehr in’s Klare zu kommen und mich des Alten zu erinnern, indem das Neue mich selbst angeht.
Mich verlangt Sie bald zu sehen. Mittwoch hoff’ ich von Weimar aus zu schreiben. Ich habe manches zu referiren was mir durch den Kopf indessen gegangen ist.
Wäre nicht mein Spiritus mit Abschreiben von Inventarien beschäftigt, so dictirte ich geschwind etwas; für meine Feder aber ist es zu weitläufig auch nur anzufangen, denn ich muß weit ausholen. Auch sind unschreibbare Dinge darunter. Leben Sie recht wohl in Ihrer Halbeinsamkeit, rücken Sie sachte in Ihrer Arbeit vor und grüßen Ihre liebe Frau.
G.
Wir haben heute eingeheizt!
H 611 v| S 609 | B 612
Jena, den 14. Juni 1799
Sie sind, wie ich höre, vor einigen Tagen in Roßla gewesen, aber wieder nach Weimar zurück, welches Sie bei dem gestrigen schlechten Wetter nicht bereut haben werden. Mellischens haben es noch eben recht getroffen und einen sehr angenehmen Tag in Jena mitgenossen. Er brachte einen Fremden aus dem Walliser Land mit, der mit deutschen gelehrten Sachen nicht unbekannt schien, und über die neuere Philosophie sogar, so weit sich darüber in französischer Sprache reden ließ, nicht unvernünftig sprach. Es mag indessen irgend eine geheime Bewandtniß mit ihm haben.
Ich hörte dieser Tage, daß Fichte dem Rudolstädter Fürsten das Ansinnen gethan, ihm in Rudolstadt in einem herrschaftlichen Hause Wohnung zu geben, daß es ihm aber höflich refüsirt worden. Es ist doch unbegreiflich wie bei diesem Freunde eine Unklugheit auf die andere folgt und wie incorrigibel er in seinen Schiefheiten ist. Dem Fürsten von Rudolstadt, der sich den Teufel um ihn bekümmert, zuzumuthen, daß er ihm durch Einräumung eines Quartiers öffentliche Protection geben und umsonst und um nichts sich bei allen anders denkenden Höfen compromittiren soll! Und was für eine armselige Erleichterung verschaffte ihm wohl ein freies Logis dort, wo er durchaus nicht an seinem Orte wäre.
Ich wünsche daß Sie fleißiger seyn möchten, als ich in diesen Tagen seyn konnte. Mittwochs war Mellisch und Donnerstag die Kalb bei uns, und so ist in diesen zwei Tagen wenig geschehen. Ich sitze immer bei meinen drei ersten Expositionsscenen und suche einen festen Grund für das künftige zu legen.
Es scheint wirklich, daß ich in England mit meinen Stücken etwas werde machen können. Ich habe binnen acht Tagen zwei Anträge aus London erhalten, Stücke in Manuscript hinzuschicken, zwar nur von Buchhändlern und von Übersetzern und noch mit keinen bestimmten Geldversprechungen begleitet, aber die Nachfrage ist so stark daß ich Aussichten darauf gründen kann.
Haben Sie doch die Güte, mir den Äschylus zu senden, mich verlangt wieder sehr nach einer griechisch tragischen Unterhaltung.
Leben Sie recht wohl und sehen Sie daß Sie bald auf einen Tag herkommen.
Meine Frau grüßt bestens.
Sch.
H 610 | S 608 | B 611
Jena, den 11. Juni 1799
Wir sind neulich zwar ganz gut nach Hause gekommen, aber ich machte doch die Erfahrung, daß eine achtstündige Erschütterung im Wagen und gesellschaftliche Unruhe, in den Zeitraum von einem Dreivierteltag gedrängt, eine zu gewaltsame Veränderung für mich ist, denn ich brauchte zwei Tage, um mich ganz davon zu erholen.
Sonst genieße ich seit etlichen Tagen bei diesem schönen Wetter eine so gute freundliche Stimmung, in meinem kleinen Gartensälchen, daß ich sie herzlich gern mit Ihnen theilen möchte. Die Arbeit geht zwar sehr langsam, weil ich den Grund zum Ganzen zu legen habe, und beim Anfang alles darauf ankommt, sich nichts zu verderben; aber ich habe gute Hoffnung daß ich auf dem rechten Wege bin.
Wenn ich nicht zu viel Zeit verlöre, so hätte ich wohl eine Versuchung gehabt, das Stück, welches morgen in Weimar gegeben wird, zu sehen. Bei meinem jetzigen Geschäft könnte die Anschauung eines neuen historischen Stückes auf der Bühne, wie es auch sonst beschaffen seyn möchte, nützlich auf mich wirken. Die Idee, aus diesem Stoff ein Drama zu machen, gefällt mir nicht übel. Er hat schon den wesentlichen Vortheil bei sich, daß die Handlung in einen thatvollen Moment concentrirt ist und zwischen Furcht und Hoffnung rasch zum Ende eilen muß. Auch sind vortreffliche dramatische Charaktere darin schon von der Geschichte hergegeben. Das Stück mag aber nicht viel besonders seyn, da Sie mir nichts davon sagten.
Mellisch hat sich auf morgen Mittag mit seiner Gesellschaft bei uns eingeladen, da wird auch Ihrer fleißig gedacht werden. Sehen Sie nur, daß Sie bald auf einen Tag herüber kommen.
Leben sie recht wohl für heute, ich weiß nichts mehr zu schreiben, denn ich habe in diesen Tagen nichts erfahren und nur in meiner Arbeit gelebt.
Die Frau grüßt Sie auf’s beste.
Sch.
H 609 | S 607 | B 610
Jena, den 7. Juni 1799
Nur zwei Worte für heute, da ich hoffe Sie morgen selbst zu sehen. Wenn nichts dazwischen kommt, so habe ich’s Lodern zugesagt, bei der Gesellschaft zu seyn die er in Belvedere eingeladen.
Dohm hat uns hier seine authentische Nachricht von der Rastädter Geschichte zurückgelassen, die mir zu verschiedenen Bemerkungen Anlaß gegeben. Unter andern werden Sie den ganz sonderbaren Widerspruch bemerkt haben, der in Absicht auf den Tod des Robertjots darin vorkommt, wo zwei ganz entgegengesetzte Berichte auf die Aussage des nämlichen Kammerdieners gegründet werden. Bei einer so feierlich angekündigten Genauigkeit ist solch ein Versehen sonderbar genug, und ich weiß mir’s schlechterdings nicht zu erklären.
In meiner Arbeit bin ich seit zwei Tagen nicht weiter vorgerückt, gestern hatte ich den ganzen Tag Besuche, und heute eine gewaltige Briefexpedition.
Das Geschrei, das Wieland von Herders Buch erhebt, wird wie ich fürchte, eine ganz andere Wirkung thun als er damit beabsichtigt. Wir können es in aller Gelassenheit abwarten, und wollen bei dieser Komödie, die bunt und lärmend genug werden wird, als ruhige Zuschauer unsere Plätze nehmen. Unterhaltung gibt sie uns gewiß. Was auch Wieland gesagt haben mag, so wünschte ich, Cotta setzte es in die Allgemeine Zeitung, oder Böttiger schickte es dahin, denn es kann nicht allgemein genug bekannt werden.
Herr von Fritsch mag sich immerhin die Stelle, die er wahrscheinlich für irgend ein Stammbuch zu haben wünscht, aus Grafs Rolle herausschreiben lassen. Ich habe nichts dagegen.
Leben Sie recht wohl, ich freue mich Sie auf einige Stunden zu sehen.
Sch.
H 608 | S 606 | B 609
Weimar, den 5. Juni 1799
Ich gratulire zum Anfang der Ausarbeitung des neuen Stücks. So wohl es gethan ist seinen Plan im Ganzen gehörig zu überlegen, so hat doch die Ausführung, wenn sie mit der Erfindung gleichzeitig ist, so große Vortheile die nicht zu versäumen sind.
Körner hat sich die Sache freilich sehr leicht gemacht; er hat, statt einer Relation, einen Actenextract geschickt. Vielleicht denken Sie ein wenig darüber, und nach der vierten Vorstellung des Wallenstein’s läßt man den Aufsatz abgehen.
Es ist an dem, daß der König und die Königin den Wallenstein in Berlin nicht gesehen haben, und wirklich, wie es scheint, um dem Herzog ein Compliment zu machen, der sie wegen der Wahl der Stücke befragte und wegen dieses Trauerspiels ihre Zustimmung erhielt.
Was mich betrifft, so habe ich mich blos durch gänzliche Resignation vom Unmuth erretten können, da an eine zusammenhängende Arbeit nicht zu denken ist. Indessen da es manches zu thun gibt, so vergeht die Zeit und ich sehe doch auf den Juli wieder bessern Stunden entgegen.
Die Schwestern von Lesbos werden indessen leidlich gefördert. Es freut mich sehr, daß die erste Conferenz sich mit Zufriedenheit beider Theile geendigt hat, es war nicht allein vortheilhaft für diesen Fall, sondern auch für die nächsten Fälle.
Frau von la Roche ist noch nicht angekommen, verschiebt auch, so viel man vernimmt, ihre Reise. Vielleicht verzieht sich das Gewitter, ohne daß wir nöthig haben zu den Lobedaischen Ableitern unsre Zuflucht zu nehmen.
Mit welcher unglaublichen Verblendung der alte Wieland in den allzufrühen metakritischen Triumph einstimmt, werden Sie aus dem neusten Stücke des Merkur’s, mit Verwunderung und nicht ohne Unwillen, ersehen. Die Christen behaupteten doch: in der Nacht, da Christus geboren worden, seyen alle Orakel auf einmal verstummt, und so versichern nun auch die Apostel und Jünger des neuen philosophischen Evangelii, daß in der Geburtsstunde der Metakritik der Alte zu Königsberg, auf seinem Dreifuß, nicht allein paralysirt worden, sondern sogar wie Dagon herunter und auf die Nase gefallen sey. Kein einziges der ihm zu Ehren errichteten Götzenbilder stehe mehr auf seinen Füßen, und es fehlt nicht viel daß man nicht für nöthig und natürlich finde sämmtliche Kantsgenossen, gleich jenen widerspenstigen Baalspfaffen, zu schlachten.
Für die Sache selbst ist es mir kein gutes Anzeichen, daß man glaubt solcher heftigen und doch keineswegs auslangenden Empfehlungen zu bedürfen.
Der Humboldtische Brief kommt auch hier wieder zurück.
Mögen Sie dem Gesuch des Herrn von Fritsch, das er in beiliegendem Blättchen anbringt, wohl deferiren?
Hier schicke ich den gedruckten Catalogus. Ihre Bücher sind zwischen den zwei rothen Strichen eingeschlossen.
Das Paket an Hufeland bitte ich besorgen zu lassen.
Heute Abend wünschte ich daß Sie die Aufführung der theatralischen Abenteuer sehen könnten; sie wird gewiß vorzüglich gut werden, weil sie als Hauptprobe dienen soll, um die Aufführung vor dem König vorzubereiten. Ich habe gestern und vorgestern die Proben und Vorproben mit Vergnügen besucht und auch dabei wieder die Bemerkung gemacht, wie sehr man mit einer Kunst in Verhältniß, Übung und Gewohnheit bleiben muß, wenn man ihre Productionen einigermaßen genießen und etwa gar beurtheilen will. Ich habe schon öfters bemerkt daß ich, nach einer langen Pause, mich erst wieder an Musik und bildende Kunst gewöhnen muß, um ihnen im Augenblick was abgewinnen zu können.
Leben Sie recht wohl und bereiten mir durch Ihren Fleiß einen schönen Empfang.
G.
H 607 | S 605 | B 608
Jena, den 4. Juni 1799
Hier erfolgt Körners Aufsatz über den Wallenstein. Er ist aber, so wie er ist, nicht zu gebrauchen, weil er sich die Bequemlichkeit gemacht hat, lieber den Dichter statt seiner sprechen zu lassen, und auf diese Weise das Werk in Fetzen zerrissen vor das Publicum bringt. Wenn das Stück schon gedruckt wäre, möchte das hingehen, so aber finde ich meine Rechnung nicht dabei. Es ist glücklicherweise nicht so pressant es abzuschicken, denn ich denke Sie werden mit mir einig seyn, daß man, weil man doch so lang gewartet hat, die Anzeige nach der vierten Vorstellung des Wallenstein abschickt. Bis dahin will ich die Körner’sche Arbeit noch vornehmen, und darin mehr den erzählenden als den dramatischen Ton herrschen lassen, auch noch einige Aufschlüsse über das Ganze einflechten.
Ich habe mich nicht enthalten können, weil das Schema zu den ersten Acten der Maria in Ordnung, und in den letzten nur noch ein einziger Punkt unausgemacht ist, um die Zeit nicht zu verlieren, gleich zur Ausführung fortzugehen. Ehe ich an den zweiten Act komme, muß mir in den letzten Acten alles klar seyn. Und so habe ich denn heute, den 4. Juni, dieses Opus mit Lust und Freude begonnen, und hoffe in diesem Monat schon einen ziemlichen Theil der Exposition zurück zu legen.
Was Sie mir von den Schwestern von Lesbos schreiben hat mir großen Trost gewährt. Auch meine Schwägerin schrieb mir von dieser Zusammenkunft und konnte mir nicht genug rühmen, wie viel sie dabei gelernt habe.
Ich lese jetzt in den Stunden, wo wir sonst zusammen kamen, Lessings Dramaturgie, die in der That eine sehr geistreiche und belebte Unterhaltung gibt. Es ist doch gar keine Frage, daß Lessing unter allen Deutschen seiner Zeit über das was die Kunst betrifft am klarsten gewesen, am schärfsten und zugleich am liberalsten darüber gedacht und das Wesentliche worauf es ankommt am unverrücktesten in’s Auge gefaßt hat. Liest man nur ihn, so möchte man wirklich glauben, daß die gute Zeit des deutschen Geschmacks schon vorbei sey: denn wie wenig Urtheile, die jetzt über die Kunst gefällt werden, dürfen sich an die seinigen stellen?
Ist es denn wahr daß die Königin von Preußen den Wallenstein in Berlin nicht hat wollen spielen sehen, um ihn in Weimar zuerst kennen zu lernen?
Schreiben Sie mir doch, ob die la Roche in Oßmanstedt angelangt ist? Auch meiner Frau liegt an dieser Nachricht.
Auch bitte ich mir durch Vulpius das Verzeichniß der von mir einzusendenden Bücher zurückschicken zu lassen, nebst einem Katalog der Auction, wenn noch einer zu haben.
Leben Sie recht wohl und genießen Sie die jetzigen angenehmen Tage.
Sch.
H 606 | S 604 | B 607
Weimar, den 1. Juni 1799
Mit dem Gedichte geht es schon besser, seitdem ich mich ernsthaft an den ersten Gesang gemacht und im Einzelnen wie der Sache zu helfen sey, durchgedacht habe. Auch ist gestern Abend eine Conferenz darüber bei Frau von Wolzogen gewesen, und unsere Freundinnen schienen sich vor meinen rigoristischen Forderungen nicht zu entsetzen, so daß ich Hoffnung haben kann, es werde sich die Sache nach unserm Wunsche doch noch geben.
Gestern ist der Herzog für Eisenach und Kassel verreist, und ich bin so ziemlich auf meine stille Wohnung reducirt. Ich erwarte was mir die nächsten acht Tage bescheeren werden; wenn mir auch nur einige Vorarbeiten gelingen, so bin ich schon zufrieden. Möge Ihnen aus den tieferen Quellen der Production etwas zufließen.
Sie erhalten hierbei die drei Wallensteine. Von mir kann ich weiter nichts sagen, als daß ich eben ordnen, nachholen, anstellen und ausgleichen muß. Übrigens geht alles doch so ganz leidlich und, wenn man es nicht sehr genau nimmt, auch zweckmäßig. Leben sie recht wohl; grüßen sie Ihre liebe Frau.
G.
H 605 | S 603 | B 606
Jena, den 31. Mai 1799
Ich begreife wohl daß Ihnen das Gedicht unserer Dilettantin immer weniger Freude machen mag, je näher Sie es betrachten. Denn auch darin zeigt sich der Dilettantism besonders, daß er, weil er aus einem falschen Princip ausgeht, nichts hervorbringen kann, das nicht im Ganzen falsch ist, also auch keine wesentliche Hülfe zuläßt. Mein Trost ist, daß wir bei diesem Werke den dilettantischen Ursprung ja ankündigen dürfen, und daß wir, indem wir eine Toleranz dafür beweisen, bloß eine Humanität zeigen, ohne unser Urtheil zu compromittiren. Das Schlimmste dabei ist die Mühe und die Unzufriedenheit die es Ihnen macht; indessen müssen Sie die Arbeit als eine sectionem cadaveris zum Behuf der Wissenschaft ansehen, da dieser praktische Fall bei der gegenwärtigen theoretischen Arbeit nicht ganz ungelegen kommt.
Mir haben diese Tage ganz entgegengesetzte Producte eines Meisters in der Kunst nicht viel mehr Freude gewährt, obgleich ich, da ich nicht dafür zu repondiren habe, ganz ruhig dabei bleiben kann. Ich habe Corneillens Rodogüne, Pompée und Polyeucte gelesen und bin über die wirklich enorme Fehlerhaftigkeit dieser Werke, die ich seit zwanzig Jahren rühmen hörte, in Erstaunen gerathen. Handlung, dramatische Organisation, Charaktere, Sitten, Sprache, alles, selbst die Verse, bieten die höchsten Blößen an, und die Barbarei einer sich erst bildenden Kunst reicht lange nicht hin sie zu entschuldigen. Denn der falsche Geschmack, den man so oft auch in den geistreichsten Werken findet, wenn sie in einer rohen Zeit entstanden, dieser ist es nicht allein, nicht einmal vorzugsweise, was daran widerwärtig ist. Es ist die Armuth der Erfindung, die Magerkeit und Trockenheit in Behandlung der Charaktere, die Kälte in den Leidenschaften, die Lahmheit und Steifigkeit im Gang der Handlung, und der Mangel an Interesse fast durchaus. Die Weibercharaktere sind klägliche Fratzen und ich habe noch nichts als das eigentlich Heroische glücklich behandelt gefunden; doch ist auch dieses, an sich nicht sehr reichhaltige Ingrediens einförmig behandelt.
Racine ist ohne allen Vergleich dem Vortrefflichen viel näher, obgleich er alle Unarten der französischen Manier an sich trägt und im Ganzen etwas schwach ist. Nun bin ich in der That auf Voltaire’s Tragödie sehr begierig, denn aus den Kritiken, die der letztere über Corneille gemacht, zu schließen, ist er über die Fehler desselben sehr klar gewesen.
Es ist freilich leichter tadeln als hervorbringen. Dabei fällt mir mein eigenes Pensum ein, das noch immer sehr ungestaltet daliegt. Wüßten es nur die allzeit fertigen Urtheiler und die leichtfertigen Dilettanten, was es kostet, ein ordentliches Werk zu erzeugen.
Haben Sie doch die Güte mir mit der Botenfrau die Piccolomini und den Wallenstein zu schicken. Kotzebue hat mich darum ersucht, und ich versprach es ihm, weil mich diese Gefälligkeit weniger kostet als ein Besuch bei ihm oder ein Abendessen.
Meyern viele Grüße. Seinen Brief habe ich an Böttiger abgesendet.
Meine Frau grüßt Sie bestens. Leben Sie wohl und heiter bei diesem erquickenden Regenwetter.
Sch.
H 604 | S 602 | B 605
Weimar, den 29. Mai 1799
Bei unserer Trennung, die auch mir immer sehr empfindlich fällt, finde ich Ursache Sie zu beneiden, indem Sie in Ihrem Kreise und auf Ihrem Wege bleiben, und also sicherer vorwärts gehen, da das Vorschreiten in meiner Lage eine sehr problematische Sache ist. Abends weiß ich wohl, daß etwas geschehen ist, das aber auch wohl ohne mich, und vielleicht ganz und gar anders hätte geschehen können.
Ich will nur suchen hier auf’s beste meine Pflicht im Allgemeinen zu thun, und sorgen daß mein Aufenthalt auch für unsere besondern Zwecke nicht unnütz verstreiche.
Den ersten Gesang des Gedichtes habe ich von unserer Freundin erhalten, gegen den aber leider alle Gravamina die ich Ihnen schon vorerzählt gewaltig gelten. Es fehlt alle epische Retardation, dadurch drängt sich alles auf und über einander, und dem Gedicht fehlt, wenn man es liest durchaus Ruhe und Klarheit. In dem ganzen Gesange ist kein einziger Abschnitt angegeben, und wirklich sind die Abschnitte schwer zu bezeichnen. Die sehr langen Perioden verwickeln die Sache mehr als daß sie durch eine gewisse Vollendung dem Vortrag eine Anmuth gäben. Es entstehen viel dunkel Parenthesen und Beziehungen, die Worte sind oft ohne epischen Zweck umgestellt und der Gebrauch der Participien nicht immer glücklich. Ich will sehen das Mögliche zu thun, um so mehr als ich meine hiesigen Stunden nicht hoch anrechne.
Überhaupt aber werden unsere Arbeiten über den Dilettantismus uns, wie ich voraussehe, in eine eigne Lage versetzen; denn es ist nicht möglich die Unarten desselben deutlich einzusehen ohne ungeduldig und unfreundlich zu werden. Ob ich das Schema sehr gefördert schicken oder bringen werde, ist noch eine sehr große Frage.
Was ich von Christian Thomasius kennen lernte, hat mich stets interessirt. Sein heiteres und geistreiches Wesen ist sehr ansprechend. Ich will mich nach den Aufsätzen erkundigen, nach denen Sie fragen.
Leben sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau. Von Meyern liegt etwas bei.
G.
H 603 | S 601 | B 604
Jena, den 29. Mai 1799
Ich habe in den zwei Tagen, daß Sie von uns sind, in meinem angefangenen Geschäft emsig fortgefahren und hoffe daß ein beständigeres Wetter auch meinen Bemühungen förderlich wird. Indem ich mir von unserm letzten Zusammenseyn Rechenschaft gebe, finde ich daß wir uns, ohne produktiv zu seyn, wieder nützlich beschäftigt haben. Die Idee besonders von dem nothwendigen Auseinanderhalten der Natur und Kunst wird mir immer bedeutender und fruchtbarer, so oft wir auf diese Materie zurückkommen, und ich rathe bei dem Aufsatz über den Dilettantism auch recht breit darüber heraus zu gehen.
Das Schema über diesen Aufsatz erwarte ich nun bald abgeschrieben und mit neuen Bemerkungen bereichert zurück, und hoffe daß Ihnen die Nähe von Aurora und Hesperus recht viel Licht dazu geben möge.
Ich bin gestern zufällig über ein Leben des Christin Thomasius gerathen, das mich sehr unterhalten hat. Es zeigt das interessante Loswinden eines Mannes von Geist und Kraft aus der Pedanterei des Zeitalters; und obgleich die Art, wie er es angreift, selbst noch pedantisch genug ist, so ist er doch seinen Zeitgenossen gegenüber ein philosophischer, ja ein schöner Geist zu nennen. Er erwählte dasselbe Mittel das auch Sie für das kräftigste halten, die Gegner durch immerfort und schnell wiederholte Streiche zu beunruhigen, und schrieb das erste Journal unter dem Titel: Monatliche Gespräche, worin er auf satyrische Art und mit einem satyrischen Kupferstich vor jedem Stücke seinen Gegnern, den Theologen und aristotelischen Philosophen, tapfer zusetzt. Er wagte es, akademische Schriften zuerst auch in deutscher Sprache zu schreiben; eine davon über das feine Betragen und das was der Deutsche von den Franzosen nachahmen solle, wäre ich neugierig zu lesen und werde mich hier darnach umthun.
Haben Sie vielleicht etwas von der Fräulein Imhof und ihrem Werke in Erfahrung gebracht, und wollen Sie ihr das wovon Sie neulich sagten insinuiren?
Meine Frau grüßt Sie herzlich. Wir vermissen Sie sehr und ich kann mich kaum mehr daran gewöhnen, die Abende ohne Gespräch zuzubringen. Meyern viele Grüße.
Leben Sie recht wohl.
Sch.
H 602 | S 600 | B 603
[Jena, den 12. Mai 1799]
Zu der geistigen Produktion gratuliere ich. Es ist viel gewonnen, daß Sie auch das nun hinter sich haben. Mir hat sich der Geist heut noch nicht zeigen wollen, ob ich ihn gleich in allen Gängen meines Gartens suchte und aufs Erfinden ausging.
Die Frau ist ziemlich erträglich heute und läßt Sie freundlich grüßen. Wir haben heute nichts vor und erwarten Sie. Hier etwas Philosophisches zum Nachtisch.
Sch.
H – | S 599 | B 602
Nicht bei H, zitiert nach S
[Jena, ] Den 12. Mai 1799
Herr Leißring hat die Rolle des ersten Jägers mitgenommen; wollten Sie mir doch das Manuscript schicken, damit ich sie wieder suppliren kann.
Das heutige Fest ist nicht ganz ohne geistigen Einfluß auf mich gewesen; der achte Brief ist geschrieben und diese Sorge hätten wir hinter uns.
Sagen Sie mir wie es mit Ihnen und Ihrer lieben Frau heute steht und wie ich Sei heute Abend treffe?
G.
H 601 | S 598 | B 601
[Jena, den 11. Mai 1799.]
Ihr Manuskript soll mich diese ersten ruhigen Stunden, die ich heut nachmittag nach der Konfusion des Auszugs genießen werden, angenehm und willkommen beschäftigen. Wir waren durch das gestrige Wetter freilich nicht begünstigt, und auch das heutige ist wenig erfreulich, aber ich bin dennoch froh, daß wir nun die ersten milden Augenblicke gleich im Freien genießen können.
Kommen Sie diesen Abend etwas zeitig, wenn Sie nicht Lust haben, bei unsern Philosophen auszuharren.
Sch.
H – | S 597 | B 600
Nicht bei H, zitiert nach S
[Jena, den ]11. Mai 1799
Ich gratulire zu dem schönen Tag nach dem feuchten Auszug und werde meine Glückwünsche zu dem Sommeraufenthalt heute Abend mündlich wiederholen.
Den sechsten Brief, der hier beiliegt, sende ich wie er hat werden können. Er mag als Skizze so hingehen; um ihn würdig auszuführen gehört mehr dazu als ich jetzt im Stande bin zu leisten. Betrachten Sie ihn daher von der Seite: ob er nichts enthält was dem Zweck zuwider ist, da er den Zweck nicht ganz erfüllen kann.
G.
H 600 | S 596 | B 599
Weimar, den 27. April 1799
Ich bin gegenwärtig nur beschäftigt mich frei zu machen damit ich Mittwoch abreisen kann.
Am nächsten Propyläenstück fängt man schon an zu drucken und ich schicke die erste Hälfte des Sammlers schon unter die Presse, indem sich die zweite noch im limbo patrum befindet. Ich hoffe auch diese, wenn wir nur einmal zusammen sind, bald an’s Tageslicht zu fördern. Ich habe eine Tournüre ausgedacht, durch die wir am leichtesten und sichersten aus dem Handel kommen. Ich freue mich über das Zutrauen das Sie zu Maria Stuart haben. Nur im Ganzen angesehen so scheint dieser Stoff viel zu enthalten was von tragischer Wirkung seyn kann. Die Bücher folgen hierbei, ich bin neugierig die nähere Entwicklung von Ihnen zu vernehmen.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau. Ich freue mich auf unser nächstes Zusammentreffen, in einer Zeit wo es mit Macht doch endlich Frühling werden muß.
G.
H 597 | S 595 | B 598
Jena, den 26. April 1799
Die Zerstreuungen, die ich in Weimar erfahren, klingen heute noch bei mir nach und ich kann noch zu keiner ruhigen Stimmung kommen. Indessen habe ich mich an eine Regierungsgeschichte der Königin Elisabeth gemacht, und den Proceß der Maria Stuart zu studiren angefangen. Ein paar tragische Hauptmotive haben sich mir gleich dargeboten und mir großen Glauben an diesen Stoff gegeben, der unstreitig sehr viele dankbare Seiten hat. Besonders scheint er sich zu der Euripidischen Methode, welche in der vollständigsten Darstellung des Zustandes besteht, zu qualificiren; denn ich sehe eine Möglichkeit, den ganzen Gerichtsgang zugleich mit allem Politischen auf die Seite zu bringen, und die Tragödie mit der Verurtheilung anzufangen. Doch davon mündlich und bis meine Ideen bestimmter geworden sind.
Hier haben wir den Frühling nicht eben weiter vorgerückt als in Weimar, bloß die Stachelbeerhecken zeigten sich grün, die uns im Mühlthal empfingen.
Wollten Sie die Güte haben und gegen beiliegende Scheine die notirten Werke aus der Bibliothek für mich holen und durch das Botenmädchen senden lassen. Camden habe ich schon mitgenommen, aber den Schein vergessen zurückzulassen. Wenn Sie mir, etwa aus der Sammlung des Herzogs, den Genzischen Historischen Kalender, der das Leben der Maria Stuart enthält, verschaffen könnten, so wäre mir’s sehr angenehm.
Verzeihen Sie, daß ich Ihnen diese Mühe verursache.
Nochmals meinen herzlichen Dank für alles Angenehme, was ich bei Ihnen und durch Sie in Weimar genossen habe. Versäumen Sie ja nicht am ersten Mai hier zu seyn, ich habe es auch schon Cotta geschrieben.
Meine Frau grüßt Sie auf’s freundlichste. Leben Sie recht wohl. An Meyern viele Grüße.
Sch.
H 596 | S 594 | B 597