144. An Goethe

Jena, 22. Januar 1796

Hier eine kleine Lieferung von Epigrammen. Was Ihnen darunter nicht gefällt, lassen Sie nur gar nicht abschreiben. Es geht mit diesen kleinen Spässen doch nicht so rasch als man glauben sollte, da man keine Suite von Gedanken und Gefühlen dazu benutzen kann, wie bei einer längeren Arbeit. Sie wollen sich ihr urprüngliches Recht als glückliche Einfälle nicht nehmen lassen. Ich zweifle deßwegen, ob ich, bei meinem Müßiggange, Ihnen soweit vorkommen werde, als Sie denken; denn in die Länge geht es doch nicht, ich muß mich zu größern Sachen entschließen und die Epigramme auf den Augenblick ankommen lassen. Doch soll kein Posttag leer seyn, und so rücken wir doch in vier, fünf Monaten weit genug vor.

Ihre Epigramme im Almanach machen großes Glück, wie ich immer auf’s neu in Erfahrung bringe, und bei Leuten, von deren Urtheil man keine Schande hat. Daß der Almanach in Weimar neben den Emigrirten und den Hundsposttagen noch aufkommen kann, ist mir sehr tröstlich zu vernehmen.

Darf ich Sie mit einem kleinen Auftrage belästigen? Ich wünschte drei und sechzig Ellen Tapeten von schöner grüner Farbe, und zwei und sechzig Ellen Einfassung, welche ich ganz Ihrem Geschmack und Ihrer Farbentheorie überlasse. Wollten Sie Herrn Gernig darnach schicken, und allenfalls Ordre geben, daß ich sie in sechs bis acht Tagen haben kann?

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt.

Sch.

An einen gewissen moralischen Dichter.
Ja, der Mensch ist ein ärmlicher Wicht, ich weiß – doch das wollt’ ich
  Eben vergessen und kam, ach wie gereut mich’s! zu dir.

Der Kantianer.
Sollte Kantische Worte der hohle Schädel nicht fassen?
  Hast du in hohler Nuß nicht auch Devisen gesehn?

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