9. Mai 1805: Schiller stirbt in Weimar

Unsere persönlichen Zusammenkünfte waren unterbrochen; wir wechselten fliegende Blätter. Einige im Februar und März von ihm geschriebene zeugen noch von seinen Leiden, von Tätigkeit, Ergebung und immer mehr schwindender Hoffnung. Anfangs Mai wagt ich mich aus, ich fand ihn im Begriff, ins Schauspiel zu gehen, wovon ich ihn nicht abhalten wollte: Ein Mißbehagen hinderte mich, ihn zu begleiten, und so schieden wir vor seiner Haustüre, um uns niemals wiederzusehen. Bei dem Zustande meines Körpers und Geistes, die, um aufrecht zu bleiben, aller eigenen Kraft bedurften, wagte niemand, die Nachricht von seinem Scheiden in meine Einsamkeit zu bringen. Er war am Neunten verschieden und ich nun von allen meinen Übeln doppelt und dreifach angefallen.

Goethe, Tages- und Jahreshefte, 1805

Schiller starb am 9. Mai 1805 an einer vermutlich von einer Tuberkulose ausgelösten akuten Lungentzündung.

1022. Goethe an Schiller

[Weimar, den 26. oder 27. April 1805]

Beiliegende kleine Note haben Sie ja wohl die Gefälligkeit nach Leipzig zu befördern und gelegentlich den beiliegenden Versuch, die Farbengeschichte zu behandeln, durchzulesen. Lassen Sie das Manuskript bei sich liegen, bis ich den Schluß dieses Kapitels zuschicke. Voran liegt ein kurzes Schema zur Übersicht des Ganzen.

G.

H – | S 1011 | B 1015

Nicht bei H, zitiert nach S.

1021. Schiller an Goethe

[Weimar, zwischen 26. und 29. April 1805]

Die Anmerkungen schließen mit Voltaire lustig genug, und man bekommt noch eine tüchtige Ladung auf den Weg. Indessen seh ich mich gerade bei diesem letzten Artikel in einiger Kontroverse mit Ihnen, sowohl was das Register der Eigenschaften zum guten Schriftsteller, als was deren Anwendung auf Voltaire betrifft.

Zwar soll das Register nur eine empirische Aufzählung der Prädikate sein, welche man bei Lesung der guten Schriftsteller auszusprechen sich veranlaßt fühlt, aber stehen diese Eigenschaften in Einer Reihe hintereinander, so fällt es auf, Genera und Spezies, Hauptfarben und Farbentöne nebeneinander aufgeführt zu sehen. Wenigstens würde ich in dieser Reihenfolge die großen viel enthaltenden Worte Genie, Verstand, Geist, Stil etc. vermeiden und mich nur in den Schranken ganz partieller Stimmungen und Nuancen gehalten haben.

Dann vermisse ich doch in der Reihe noch einige Bestimmungen wie Charakter, Energie und Feuer, welche gerade das sind, was die Gewalt so vieler Schriftsteller ausmacht und sich keineswegs unter die angeführten subsumieren läßt. Freilich wird es schwer sein dem Voltairischen Proteus einen Charakter beizulegen.

Sie haben zwar, indem Sie Voltaire die Tiefe absprechen, auf einen Hauptmangel desselben hingedeutet, aber ich wünschte doch, daß das, was man Gemüt nennt und was ihm sowie im ganzen allen Franzosen so sehr fehlt, auch wäre ausgesprochen worden. Gemüt und Herz haben Sie in der Reihe nicht mit aufgeführt; freilich sind sie teilweise schon unter andern Prädikaten enthalten, aber doch nicht in dem vollen Sinn, als man damit verbindet.

Schließlich gebe ich Ihnen zu bedenken, ob Ludwig XIV., der doch im Grund ein sehr weicher Charakter war, der nie als Held durch seine Persönlichkeit viel im Kriege geleistet, und dessen stolze Repräsentations-Regierung, wenn man billig sein will, zunächst das Werk von zwei sehr tätigen Ministerialregierungen war, die ihm vorhergingen und das Feld rein machten, ob Ludwig XIV. mehr als Heinrich IV. den französischen Königscharakter darstellt.

Dieser heteros logos fiel mir beim Lesen ein, und ich wollte ihn nicht vorenthalten.

Sch.

H – | S 1010 | B 1014

Nicht bei H, zitiert nach S.

1020. Goethe an Schiller

[Weimar, den 25. April 1805]

Hier endlich der Rest des Manuscripts, das ich noch einmal anzusehen und sodann nach Leipzig abzuschicken bitte. Wäre nicht alles was man thut und treibt, am Ende extemporisirt, so würde ich bei den sehr extemporisirten Anmerkungen manches Bedenken haben. Mein größter Trost ist dabei, daß ich sagen kann: sine me ibis Liber! denn ich möchte nicht gern überall gegenwärtig seyn, wohin es gelangen wird.

Ich habe indeß an der Geschichte der Farbenlehre zu dictiren angefangen und ein schweres Capitel aus der Mitte heraus bald absolvirt.

Übrigens geht es mir gut, so lang ich täglich reite. Bei einer Pause aber meldet sich manche Unbequemlichkeit. Ich hoffe Sie bald zu sehen.

G.

H 996 | S 1009 | B 1013

1019. Goethe an Schiller

[Weimar, den 24. April 1805]

Wollten Sie wohl die Gefälligkeit haben, aus dem Geschriebenen den Artikel Le Mierre herauszunehmen. So eben sehe ich, daß ich mich in der Person geirrt habe.

G.

H 998 | S 1008 | B 1012

1018. Schiller an Goethe

[Weimar,] Den 24. April 1805

Die Anmerkungen lesen sich vortrefflich und auch unabhängig von dem Text, auf den sie übrigens ein sehr helles Licht verbreiten. Was über französischen Geschmack, über Autoren und Publicum überhaupt und mit einem Seitenblick auf unser Deutschland gesagt wird, ist eben so glücklich und treffend, als die Artikel von Musik und Musikern, von Palissot und andern für das commentirte Werk passend und unterrichtend sind. Auch Voltaire’s Brief an Palissot und Rousseau’s Stelle über Rameau machen eine gute Figur.

Ich habe weniges zu bemerken gefunden und auch dieses nur in Beziehung auf den Ausdruck, eine einzige kleine Stelle im Artikel Geschmack ausgenommen, die mir nicht ganz einleuchtete.

Da mir diese Anmerkungen so gut als fertig scheinen, so wäre die Frage, ob sie nicht gleich mit morgendem Posttag abgehen könnten. Ich habe fünfzehn Artikel darin gefunden die für sich selbst interessiren, und schon die Hälfte dieser Zahl würde die Anmerkungen gerechtfertigt haben. Auch schätz’ ich sie gedruckt auf wenigstens drei Bogen, welches reichlich genug ausgestattet heißt.

Leben Sie recht wohl und immer besser! Vergessen Sie nicht mir den Elpenor zu schicken.

Sch.

H 999 | S 1007 | B 1011

1017. Goethe an Schiller

Weimar, den 23. April 1805

Was gestern von Leipzig angekommen theile ich mit. Göschen scheint auf die Anmerkungen zu renunciren, indessen ich fleißig daran fortgearbeitet habe. Sie liegen hier bei mir.

Haben Sie die Gefälligkeit sie durchzugehen und was Sie etwa für allzu paradox, gewagt und unzulänglich finden, anzustreichen, damit wir darüber sprechen können. Ich dächte man arbeitete diese vorliegenden Blätter, welche freilich noch nicht die Hälfte der im Dialog vorkommenden Namen erschöpfen, noch möglichst durch, und sendete sie ab: denn eigentlich sind die Hauptpunkte, worauf es ankommt, darin schon abgehandelt, das Übrige ist mehr zufällig und auf’s Leben bezüglich, wo wir doch in dieser Entfernung der Zeit und des Orts nicht auf den Grund kommen. Die Theaternamen, wie Clairon, Preville, Dumeuil, sind auch schon bekannt und selbst in dem Dialog nicht von der höchsten Bedeutung. Genug ich wiederhole, haben Sie die Güte die Blätter durchzulesen, die Sache durchzudenken und mit mir diese Tage darüber zu conferiren. Das beste Lebewohl.

G.

H 995 | S 1006 | B 1010

1016. Goethe an Schiller

Weimar, am 20. April 1805

Für die Durchsicht der Papiere danke ich Ihnen recht sehr und es freut mich, daß wir wegen jener Obliegenheiten einerlei Meinung sind. Freilich ist es ein wunderbarer Blick in so kurz vergangene und doch in manchem so unähnliche Zeiten. Lassen Sie uns die Sache gelegentlich näher besprechen und ein Arrangement so wie die weitere Bearbeitung vorbereiten.

Die drei Skizzen zu einer Schilderung Winckelmanns sind gestern abgegangen. Ich weiß nicht welcher Maler oder Dilettant unter ein Gemälde schrieb: in doloribus pinxit. Diese Unterschrift möchte zu meiner gegenwärtigen Arbeit wohl passen. Ich wünsche nur, daß der Leser nichts davon empfinden möge, wie man an den Späßen des Scarron die Gichtschmerzen nicht spürte.

Ich habe mich nun über die Noten zu Rameau’s Neffen gemacht und komme da freilich in das weite und breite Feld der Musik. Ich will sehen nur einige Hauptlinien durchzuziehen und sodann sobald als möglich aus diesem Reiche, das mir doch so ziemlich fremd ist, wieder herauszukommen.

Ich wünsche Glück zur Arbeit und freue mich bald etwas davon zu sehen.

G.

H 994 | S 1005 | B 1009

1015. Goethe an Schiller

Weimar, den 19. April 1805

Da bei Cotta’s nächster wahrscheinlicher Anwesenheit von einer Herausgabe meiner Werke die Rede seyn könnte, so finde ich es nöthig, Sie mit den ältern Verhältnissen zu Göschen bekannt zu machen. Ihre Freundschaft und Einsicht in das Geschäft überhebt mich die unerfreulichen Papiere gegenwärtig durchzusehen.

Außerdem bemerke ich, daß Göschen eine Ausgabe in vier Bänden unter den falschen Jahreszahlen 1787 und 1791 gedruckt, wovon niemals unter uns die Rede war. Alles Gute.

G.

H 993 | S 1004 | B 1008

1014. Schiller an Goethe

[Weimar,] Am 27. März 1805

Lassen Sie mich doch hören, wie es Ihnen in diesen Tagen ergangen ist. Ich habe mich mit ganzem Ernst endlich an meine Arbeit angeklammert und denke nun nicht mehr so leicht zerstreut zu werden. Es hat schwer gehalten nach so langen Pausen und unglücklichen Zwischenfällen wieder Posto zu fassen, und ich mußte mir Gewalt anthun. Jetzt aber bin ich im Zuge.

Der kalte Nordostwind wird auch Ihnen, fürchte ich, wie mir die Erholung erschweren; doch habe ich mich dießmal noch leidlicher befunden als sonst bei gleichem Barometerstand mit mir der Fall ist.

Wollten Sie mir wohl den französischen Rameau für Göschen sende? Ich will ihm auf’s beste empfehlen, Ihnen die Aushängebogen, wie sie gedruckt werden, sogleich zuzuschicken.

Leben Sie recht wohl. Ich sehne mich nach einer Zeile von Ihnen.

Sch.

H 992 | S 1003 | B 1007

1013. Goethe an Schiller

Weimar, am 28. Februar 1805

Sie haben mir eine große Freude gemacht durch die Billigung meiner Recensionen. Bei solchen Dingen weiß man niemals, ob man nicht zuviel thut, und durch das zu wenig wird es eben gar nichts.

Bei den Anmerkungen zum Rameau, die ich jetzt nach und nach dictire, will ich mich auf ähnliche Weise gehen lassen, um so mehr als der Text von der Art ist, daß die Anmerkungen auch wohl gekürzt seyn dürfen. Es läßt sich bei dieser Gelegenheit manches frei über die französische Literatur sagen, die wir bisher meistens zu steif, entweder als Muster oder als Widersacher, behandelt haben. Auch weil überall in der Welt dasselbe Mährchen gespielt wird, findet sich bei recht treuer Darstellung jener Erscheinung gerade das was wir jetzt auch erleben.

Ich wünsche sehr Sie wieder zu sehen. Wagen Sie sich aber doch nicht zu frühe aus, besonders bei dieser wilden Witterung.

Neues habe ich heute nicht zu senden, und wünsche also nur von Herzen baldige Besserung.

G.

H 991 | S 1002 | B 1006

1012. Schiller an Goethe

[Weimar, den 28. Feburar 1805]

Mit wahrem Vergnügen habe ich die Reihe der ästhetischen Recensionen gelesen, die ihren Urheber nicht verkennen lassen. Wenn Sie sich auch nur stoß= und ruckweise zu einem solchen kritischen Spaziergang entschließen, so werden Sie dadurch die gute Sache überhaupt und das Beste der Jenaischen Zeitung insbesondere nicht wenig befördern. Gerade dieses schöpferische Construien der Werke und der Köpfe und dieses treffende Hinweisen auf die Wirkungspunkte fehlt in allen Kritiken und ist doch das Einzige was zu etwas führen kann.

Die Recensionen sind zugleich in einem behaglichen und heitern Ton geschrieben, der sich auf die angenehmeste Art mittheilt. Möchten Sie in eben diesem Sinn und Ton Kotzebue’s Stücke vornehmen; es würde Ihnen nur die Mühe des Dictirens kosten und gewiß zu nicht weniger glücklichen Saillies Anlaß geben als der Nürnbergische Philister mit Bewußtseyn ist.

Sonntagsfrühe möchte ich wohl in einer reinen und hochdeutschen Dichtersprache lesen, weil Mundart, wenigstens beim Lesen, immer etwas Störendes hat. Das Gedicht ist ganz vortrefflich und von unwiderstehlichem Reiz.

Ich danke für Winkelmanns Briefe. Diese Lectüre kommt mir eben recht, um meine Reconvalescenz zu befördern. Es geht noch immer zum Bessern und ich denke nächstens die Luft zu versuchen.

Wollten Sie mir wohl Schlözers Nestor verschaffen, oder nur wissen lassen wo ich ihn bekommen kann.

Fahren Sie fort sich immer mehr zu erheitern und zu stärken. Vielleicht wenn der Wind sich legt, wage ich mich morgen heraus und besuche Sie.

Sch.

N. S.
Müllers akademische Vorlesung hat etwas Kümmerliches und Mageres und verräth den Sand auf dem sie gewachsen. Da dieser Historiograph von Preußen doch schwerlich jemals in den Fall kommen wird, eine Geschichte dieser Monographie zu schreiben, so hätte er bei dieser ersten und letzten Gelegenheit etwas recht Geistreiches und Gehaltreiches sagen sollen und können; dann hätte der gute Deutsche ewig bedauert, daß man von einer so vortrefflichen Hand nicht das Ganze erhalten.

H 990 | S 1001 | B 1005

1011. Goethe an Schiller

[Weimar,] Den 26. Feburar 1805

Da Sie in Ihrer jetzigen Lage wahrscheinlich leselustig sind, so schicke ein tüchtiges Bündel Literaturzeitungen und unsere Winckelmanniana etc., die Sie, so viel ich weiß, noch nicht gesehen haben. Ich habe mich wieder in die französische Literatur zum Behuf der bewußten Anmerkungen verlaufen und es wird immer etwas werden.

Es scheint doch mit mir vorwärts zu gehen. Wie sieht es mit Ihnen aus? Ich wünsche sehnlichst Sie wieder zu sehen.

G.

H 989 | S 1000 | B 1004

1010. Goethe an Schiller

[Weimar, den 24. Feburar 1805]

Hier sende Rameau’s Neffen mit der Bitte ihn morgen, mit der fahrenden Post nach Leipzig zu senden. Sie sind ja wohl so gut, noch einen derben Umschlag darum machen zu lassen, damit das Manuscript nicht leide. Es mag so hingehen, ob man gleich, wenn es gedruckt zurückkommt, noch manches zu erinnern finden wird. Die letzten Züge in eine solche Arbeit zu retouchiren, ist freilich nicht die Sache der Reconvalescenz.

Wenn ich das Winkelmannische Wesen abgefertigt habe, will ich sehen, ob noch Zeit und Muth übrig ist die alphabetisch=literarischen Anmerkungen zum Rameau hinzuzufügen.

Ich habe einige Bemerkungen zu dem Manuscript gelegt, die den Drucker einigermaßen leiten können.

Die Phädra werde ich recht gern in jedem Sinn durchsehen.

Übrigens müssen wir uns in Geduld fügen und was sich thun läßt, thun, bis wir etwas Besseres thun können. Ich fahre täglich aus und setze mich mit der Welt wieder in einigen Rapport.

Ich hoffe Sie bald zu besuchen und wünsche Sie bei wachsenden Kräften zu finden.

G.

Zugleich die Kupfer zum Tell und einig Nova von verschiedener Art.

H 988 | S 999 | B 1003

1009. Schiller an Goethe

[Weimar, den] 22. Feburar 1805

Es ist mir erfreulich, wieder ein paar Zeilen Ihrer Hand zu sehen, und es belebt wieder meinen Glauben, daß die alten Zeiten zurückkommen können, woran ich manchmal ganz verzage. Die zwei harten Stöße die ich nun in einem Zeitraum von sieben Monaten auszustehen gehabt, haben mich bis auf die Wurzeln erschüttert, und ich werde Mühe haben, mich zu erholen.

Zwar mein jetziger Anfall scheint nur die allgmeine epidemische Ursache gehabt zu haben, aber das Fieber war so stark und hat mich in einem schon so geschwächten Zustand überfallen, daß mir eben so zu Muthe ist, als wenn ich aus der schwersten Krankheit erstünde, und besonders habe ich Mühe eine gewisse Muthlosigkeit zu bekämpfen, die das schlimmste Übel in meinen Umständen ist.

Ich bin begierig zu erfahren, ob Sie das Manuscript des Rameau nun abgeschickt haben? Goeschen hat mir nichts davon geschrieben, wie ich überhaupt seit vierzehn Tagen nichts aus der Welt vernommen.

Möge es sich täglich und stündlich mit Ihnen bessern und mit mir auch, daß wir uns bald in Freuden wieder sehen.

Sch.

H 987 | S 998 | B 1002

1008. Goethe an Schiller

[Weimar,] Den 22. Februar 1805

Wenn es Ihnen nicht zuwider ist ein paar Worte zu schreiben, so sagen Sie mir doch wie es Ihnen geht? wovon ich, so sehr es mich interessirt, nichts Eigentliches erfahren kann.

Mit mir ist es wieder zur Stille, Ruh’ und Empfänglichkeit gelangt. Hervorbringen aber kann ich noch nichts; welches mich einigermaßen incommodirt, weil ich das Winkelmannische Wesen gern bei Seite hätte.

Wie sehr wünschte ich Sie bald wieder zu sehen! Das Beste hoffend.

G.

H 986 | S 997 | B 1001

1007. Schiller an Goethe

[Weimar, den 24. Januar 1805]

Ich schicke Ihnen einstweilen zurück, was ich von dem Rameau durchlesen, der Rest soll morgen nachfolgen. Es ist sehr wenig was ich dabei zu notiren gefunden, und manches mag darunter seyn was auch nur mir auffiel.

Ich habe Acht gegeben, ob die Übersetzung des französischen Vous durch das Ihr nicht hie und da eine Unschicklichkeit haben könnte, aber ich habe nichts der Art bemerkt. Es war auf jeden Fall besser als sich des Sie zu bedienen.

Im Punct der Decenz wüßte ich nicht viel zu erinnern. Allenfalls könnte man sich bei den unanständigen Worten mit den Anfangsbuchstaben begnügen und dadurch den Wohlstand der Verbeugung machen, ohne die Sache aufzuopfern.

In meinem Hause sieht es noch wie im Lazareth aus, doch vertröstet uns der Doctor daß es mit dem Kleinen nichts zu bedeuten habe.

Nehmen Sie sich vielleicht der Phädra ein wenig an? in den einzelnen Rollen meine ich; besonders möchte nöthig seyn dem Hippoly auf die rechte Spur zu helfen. Er hatte, als er neulich las, allzuviel Heftigkeit in seiner Deklamation, die er mit Kraft und Pathos verwechselt.

Leben Sie recht wohl und mögen Sie uns bald wieder als ein guter Geiste erscheinen.

Sch.

H 985 | S 996 | B 1000

1006. Goethe an Schiller

[Weimar,] Den 24. Januar 1805

Hier, mein Bester, das Opus. Haben Sie die Güte es aufmerksam durchzulesen, am Rande etwas zu notiren und mir dann Ihre Meinung zu sagen. Darauf will ich es noch einmal durchgehen, die Notata berichtigen, einige Lücken ausfüllen, vielleicht einige cynische Stellen mildern, und so mag es abfahren. Ihnen und Ihren Mädchen das vorzulesen, war meine Hoffnung, die nun auch vereitelt ist. Was machen die Kleinen?

G.

H 983 | S 995 | B 999

1005. Schiller an Goethe

[Weimar, nach dem 20. Januar 1805]

Da Sie selbst wissen, wie ich beim ersten Gedanken an diese Übersetzung auf die Becker gerechnet, so daß ich wirklich vorzugsweise um ihretwillen die Phädra und nicht den Britannicus gewählt, so können Sie leicht denken wie curios mir das herumgehende Gerede vorkommen muß. Ich wüßte schlechterdings nicht was dazu Anlaß könnte gegeben haben, wenn es nicht dieses ist, daß ich Oelfen, wie er mich vor seiner Abreise nach Berlin um Aufträge dahin bat, sagte: ich hätte ein Stück unter der Feder, wobei eine interessante Rolle für Madame Unzelmann wäre. Wie es aber möglich war dieses so zu verstehen, als wenn Madame Unzelmann diese Rolle hier spielen sollte, begreife ich nicht.

Mit meinen Kindern geht es Gottlob ohne böse Zufälle ab, und des soll, hoffe ich, in wenig Tagen wieder gut stehen.

Mich hat mein Katarrh noch nicht verlassen, ob er gleich nicht mehr stark ist. Marmontels Memoiren beschäftigen mich sehr, und besonders sind die Acheminements sehr gut geschildert. Es interessirt mich, mit Ihnen über Necker zu reden, wenn wir uns wieder sehen: denn ohne Zweifel kennen Sie ihn aus seinen eigenen Schriften und wissen inwiefern Marmontels Bericht von ihm wahr ist.

Sch.

H 980 | S 994 | B 998

1004. Goethe an Schiller

[Weimar, nach dem 20. Januar 1805]

Bei unserem Theater gibt’s wie sonst, besonders aber jetzt aus mancherlei Verhältnissen, allerlei Geklätsch und man hat ersonnen, wahrscheinlich um die Becker zu indisponiren, daß wir blos mit Austheilung des Stücks so lange gezaudert hätten, weil wir die Unzelmann erwartet hätten, die nun nicht komme. Wissen Sie etwas das diesem Gerede einen Schein geben könnte, so theilen Sie mir es mit. Ich muß einmal Ernst machen, wenn das Ding nicht schlimmer werden soll.

Sagen Sie mir doch wie Sie sich mit den Ihrigen befinden?
G.

H 979 | S 993 | B 997